Beitrag Mi 10. Dez 2014, 22:29

SS-Obersturmbannführer Rudolf Franz Ferdinand Höß

Rudolf Franz Ferdinand Höß, SS-Obersturmbannführer





* 25. November 1900 in Baden-Baden
† 16. April 1947 in Auschwitz



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Am 25. November 1900 wird Rudolf Höß als Sohn eines Kaufmanns in Baden-Baden geboren. Er wird von seinen Eltern streng katholisch erzogen und so ist der Wunsch seines Vaters, daß Rudolf später einmal Priester werden sollte, auch nicht verwunderlich. Familie Höß lebte zu dieser Zeit außerhalb von Baden-Baden im Grünen. Rings um ihr Haus gab es lediglich einige Bauern-Gehöfte, wodurch Rudolf keine Kinder als Spielkameraden hatte. Da er nur von Erwachsenen umgeben war, musste er meist alleine spielen und ging so mit Vorliebe auf Entdeckungsreise in den nahe gelegenen Wald bzw. zu einem Wasser-Reservoir. Er verbrachte gerne viel Zeit in der Natur. Dadurch entwickelte er sich jedoch auch zu einem Einzelgänger, der immer Schwierigkeiten mit großen Menschenmengen haben würde.


Jugendzeit



Als er im Alter von 6 Jahren im Wald einigen Zigeunern begegnete, war er froh, als ein benachbarter Bauer zufällig des Weges kam. Im weit verbreiteten Glauben der Landbevölkerung wurde den Zigeunern nachgesagt, dass sie Kinder rauben und der junge Rudolf Höß erwartete auch nichts anderes.

Gezwungen, so viel Zeit mit sich selbst zu verbringen, entwickelte er eine große Tierliebe und fühlte sich besonders zu Pferden hingezogen. Auf seinen jugendlichen Streifzügen kam er des öfteren durch die Stallungen der Nachbarn, um die großen Tiere zu streicheln und, sofern Putzzeug vorhanden war, zu striegeln. Oft genügte es ihm jedoch auch, einfach in ihrer Nähe zu spielen oder zwischen deren Beinen herumzuturnen. Die Gefahr, der er sich dabei aussetze, war er sich nicht bewusst. Er hatte vielleicht Angst vor Menschen, jedoch nicht vor Tieren.

Kurz vor Rudolfs 7. Geburtstag zog die kleine Familie in die Nähe von Mannheim. Wieder wohnten sie außerhalb der Stadt im Grünen. Zu dieser Zeit entdeckte Rudolf Höß seine Liebe zum Element Wasser. Er hatte immerzu den Drang zu Baden und alles mögliche zu Waschen. Seine Begeisterung für Wasser sollte ihn sein ganzes Leben lang begleiten. Zu seinem 7. Geburtstag bekam er ein pechschwarzes Pony namens „Hans“ geschenkt. Von diesem Tage an war das Tier sein bester Freund. Wenn seine Eltern mal nicht zu Hause waren, nahm er es sogar mit auf sein Zimmer. Er liebte sein Pony abgöttisch.

Sein Vater Franz Xaver Höß erzog seinen Sohn streng katholisch und wie damals üblich in einem militärischen Stil. Kleinste Unachtsamkeiten wurden von ihm sofort bestraft. Immer wieder wurde Rudolf eingebläut, dass schon die winzigsten Fehler fatale Auswirkungen haben können. Dabei legte der Vater Wert auf ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein, zwang seinen Sohn dazu, die Erfüllung von Pflichten über alles Andere zu stellen. In der Schule erbrachte Rudolf die Leistungen, die von ihm verlangt wurden und war ansonsten ein unauffälliger Schüler. Sein Weg war, wenn es nach der Meinung seines Vaters ging, bereits vorgezeichnet. Zu dieser Zeit fügte sich Rudolf der väterlichen Doktrin und hatte vor, so schnell wie nur irgend möglich Missionar zu werden und sich ins tiefste, dunkelste Afrika versetzen zu lassen.

Rudolf bekam in seiner Kindheit kein einziges ärgerliches Wort, keinen Streit zwischen seinen Eltern mit, ebensowenig jedoch sah er Zärtlichkeiten zwischen Beiden. Er selbst lehnte ebenfalls jede Art von Zuneigungsbeweisen kategorisch ab, wollte weder umarmt noch geküsst werden, stark zum Leidwesen seiner Mutter und seiner beiden jüngeren Schwestern. Zu diesen konnte er nie ein inniges, geschwisterliches Verhältnis entwickeln, auch wenn Beide nichts unversucht ließen, um Rudolf näher zu kommen. Sein einziger Vertrauter war und blieb sein Pony Hans.

Rudolf Höß´ christlicher Glauben wurde zum ersten Mal schwer erschüttert, als er in der Schule einen anderen Jungen die Treppe runtergestoßen hatte. Sein Schulkamerad brach sich dabei ein Bein und Rudolf wurde vom Direktor bestraft. Als guter Christ beichtete er seine Tat, erzählte jedoch seinen Eltern nichts davon. Rudolfs Beichtvater, ein guter Freund seines Vaters, war am selben Tag bei seinen Eltern zum Abendessen eingeladen. Am Morgen danach wurde Rudolf von seinem Vater zur Rede gestellt und für sein Vergehen nachträglich bestraft, auch weil er seinen Eltern diesen Vorfall nicht gleich erzählt hatte.

Von da an war Rudolf tief in seinem Glauben erschüttert, sah sich von dem Beichtvater verraten. Seine Eltern konnten es nur von ihm erfahren haben, denn das Telefon in ihrem Haus war defekt, Rudolfs Klassenkameraden wohnten weit weg und seine Eltern waren nicht in der Stadt und auch nicht in der Nähe der Schule gewesen. Von nun an ging Rudolf Höß nie wieder zur Beichte, selbst in die Kirche wollte er von nun an nicht mehr gehen, denn er hatte das Vertrauen in den Priesterstand komplett verloren. Auch wollte er auf keinen Fall mehr Priester oder Missionar werden.

Als im Jahr 1915 Franz Xaver Höß ohne vorherige, schwere Krankheit plötzlich verstarb, konnte der Sohn keinerlei Trauer über den Verlust des gestrengen Vaters empfinden. Es schien vielmehr für ihn eine Erleichterung gewesen zu sein. (Hier machte sich bereits die Gefühlskälte von Höß bemerkbar, die er auch später als Kommandant von Auschwitz immer wieder an den Tag legen sollte. Alle Aussagen ehem. Gefangener oder Wegbegleiter von Höß werden später übereinstimmend aussagen, wie kalt und emotionslos der Kommandant Prügelstrafen, Erschießungen, Vergasungen oder Selektion an den Rampen beobachtete. Anm. d. V.)

Das Leben von Rudolf Höß nahm von diesem Moment an jedoch eine andere Richtung. Die Kirche hatte von nun an keinen Einfluss mehr auf ihn, dafür wurde der Platz durch eine grenzenlose Bewunderung für alles Militärische eingenommen.


Beginn einer militärischen Laufbahn




Achselklappe 2. Bad. Dragoner-Rgt. Nr. 21 - Mannschaften



1916 befindet sich der 1. Weltkrieg auf seinem Höhepunkt und Rudolf Höß beobachtet fast täglich Züge von Soldaten, die in den Krieg zogen und sieht Verwundeten-Transporte zurückkehren. Um seinen Beitrag zu leisten meldet er sich als Helfer zum Roten Kreuz. Trotz der unzähligen Schwerverletzten und Toten, die er in dieser Zeit als Rot-Kreuz-Helfer sehen musste, verspürte er bald den Drang, selbst Soldat zu werden. Gegen den Willen seiner Mutter, die mit allen Mitteln eine frewillige Meldung ihres einzigen Sohnes zu verhindern trachtete, trat Rudolf Höß dem Badischen Dragoner Regiment 21 bei, bei dem schon sein Vater und Großvater dienten. Mit Hilfe eines Rittmeisters kommt er auch nach kurzer Grundausbildung an die Front in der Türkei.

In seinem ersten Einsatz an der Front machte er gleich eine einschneidende Erfahrung. Gemeinsam mit türkischen Divisionen war seine Einheit eines überraschenden Angriffs der Briten bzw. Inder ausgesetzt. Die Türken ergriffen sofort beim Erkennen des Angriffs die Flucht und so stand das deutsche Regiment in Unterzahl den Feinden gegenüber und wurde überrannt. Nie sollte Höß seinen ersten Schuss den er abgab vergessen. Er traf dabei einen Inder tödlich, der gerade zu einer Attacke ansetzte. Kurz vor ihm blieb der tödlich Getroffene liegen. Höß war zwar erst entsetzt, von da an jedoch überkam ihn eine seltsame Ruhe. An der Seite seines bekannten Rittmeisters gab er nun einen Schuss nach dem anderen ab. Der Angriff konnte doch noch zurückgeworfen werden. Auch die geflüchteten Türken wurden wieder nach vorne getrieben und so konnte am Ende des Tages sogar noch ein Geländegewinn verzeichnet werden.

Höß hatte zu dem Rittmeister (seinen Namen konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen Anm. d. V.) ein inniges Verhältnis, inniger als zu seinem eigenen Vater. Ihre Einheit wurde 1917 nach Palästina verlegt und marschierte nach Jerusalem. Höß bekam das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse, den Eisernen Halbmond und die Badische Verdienstmedaille verliehen. Er wurde zweimal verwundet und mit seinen 17 Jahren war er der jüngste Unteroffizier des Heeres.

Seine Mutter, die sich so dagegen gesträubt hatte, dass ihr Sohn Soldat wird, wird er hingegen nicht mehr sehen. Sie stirbt im gleichen Jahr.

In einem Lazarett in Wilhelma hatte Höß sein erstes Liebeserlebnis mit einer Krankenschwester. Höß benötigte intensive Betreuung, da er nicht nur einen Knie-Durchschuss erhalten hatte sondern nebenbei auch noch unter schweren Malaria-Anfällen litt, die von starken Fieberanfällen begleitet wurden. Die Berührungen der Krankenschwester waren immer wieder zärtlicher als sie sein mussten, öfter mal auch länger als notwendig und so entwickelte sich eine Zuneigung, die in Höß´ erstem sexuellen Erlebnis endete.

In seinem weiteren Leben würde er niemals ein Bordell besuchen oder sich auf eine Liebschaft mit einer Frau einlassen, für die er keine Gefühle hegte. Höß war nur zu Zärtlichkeiten fähig, wenn er auch tiefe Zuneigung zu der betreffenden Frau empfand.


Zwischenkriegszeit



Freikorps Roßbach während des Kapp-Putsches 1920 in Wismar



Als der Krieg zu Ende ging, dachte der 18-jährige Höß nicht daran, sich internieren zu lassen und plante auf eigene Faust in die Heimat zurückzukehren. Sein gesamter Zug schloss sich dem jungen Höß an und so zogen sie gemeinsam auf einer abenteuerlichen Reise zurück Richtung Heimat. Über Anatolien, das Schwarze Meer in einem heruntergekommenen Boot überquerend setzte die Gruppe nach Varna über und ritt quer durch Bulgarien, das feindlich gesinnte Rumänien, Ungarn und Österreich zurück nach Deutschland. Höß´ Zug war die einzige Einheit, die komplett aus Palästina zurückkehrte. Daheim angekommen erfuhr er vom Tode seiner Mutter. Seine Geschwister waren in eine Klosterschule gesteckt worden, sein Zuhause war nicht mehr. Da seine Familie ihn zu dem Gang in ein Priesterseminar nötigen wollte, verzichtete Höß zugunsten seiner Schwestern auf seinen Erbteil und verließ seine Heimat wieder. Er meldete sich beim preussischen Freiwilligenkorps „Roßbach“ und fand dort sofort wieder die Kameradschaft, in der er sich wohl und geborgen fühlte, sowie ihm das Gefühl der Heimat vermittelte.

Höß kämpfte mit dem Freikorps Roßbach im Baltikum. Das Korps war dort in besonders verbissene, grausam geführte Kämpfe verwickelt. Obwohl Höß in seinem Leben noch viele grausame Dinge sehen sollte, erinnerte er sich stets an diese Zeit von 1919 bis 1921 zurück, in der er, seinen eigenen Angaben zu Folge, zeitweise nur noch betete.

Nach der Auflösung seiner Truppe schlug sich Höß mit wenig Erfolg als Tagelöhner durch und war zutiefst verzweifelt. Er trat aus der Kirche aus und überlegte nach eigener Aussage sogar, Suizid zu begehen. Als sich 1922 die ehemaligen Kämpfer des Freikorps Roßbach in München trafen, luden sie dazu auch Adolf Hitler ein, der eine Rede hielt. Diese muss Höß schwer begeistert haben, denn er trat daraufhin der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei bei und erhielt die Mitgliedsnummer 3240.


Zuchthaus



Jugendfreund Martin Bormann im Jahr 1934



Ein Jahr später wurde Höß gemeinsam mit seinem Jugendfreund Martin Bormann in den Fememord an deren ehemaligen Volksschullehrers Walter Kadow verwickelt. Dieser soll den Freikorpskämpfer Albert Leo Schlageter an die französischen Besatzungsbehörden verraten haben, die ihn wegen Widerstands gegen die Besetzung des Ruhrgebiets zum Tode verurteilten. Höß wurde von einem Mitwisser der Tat als Rädelsführer an die sozialistische Zeitung „Vorwärts“ gegen Zahlung von Schmiergeld verraten und am 15. März 1924 zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Höß zeigte keinerlei Reue und wird bis zu seinem Ableben der Meinung sein, dass Kadow ein Verräter war und somit den Tod verdient hätte. Er und seine Männer hätten damals die deutsche Gerichtsbarkeit vertreten und das Urteil selbst gesprochen und auch sofort ausgeführt.

Durch die Verurteilung sollte Höß jedoch nie den Blutorden oder das goldene Parteiabzeichen der NSDAP erhalten, was ihm zeitlebens als Makel anhaftete.

Im Gefängnis studiert Höß die Verhaltensweisen von Gefangenen und Wärtern und versucht psychologische Profile zu erstellen um die betreffenden Personen einzustufen. In seinen autobiografischen Aufzeichnungen, die Höß in seiner Gefangenschaft 1945 bis 1947 niederschreibt, geht er näher auf diese Zeit ein bzw. erläutert seine damaligen Theorien im Detail.

Nach 2 Jahren im Zuchthaus bekam Höß eine Haftpsychose und verweigerte sein Essen. Er konnte nicht mehr schlafen, an Arbeit war nicht mehr zu denken. Höß kam ins Krankenrevier und wurde mit Beruhigungsmitteln ruhig gestellt. Nach 2 Tagen fing er sich wieder und bat auf eigenen Wunsch wieder in seine Zelle zurückkehren zu dürfen. Er verlangte von sich aus nach Einzelhaft, da er mit anderen Gefangenen so wenig wie möglich Kontakt haben wollte. Hier machte sich wohl sein Hang zum Einzelgänger wieder bemerkbar, der wie in der Jugend die Abgeschiedenheit mit sich selbst suchte. Höß beschäftigte sich nun mit dem Lernen von Sprachen und beruflicher Weiterbildung. Er fand endlich die Zeit, einmal Bücher zu lesen und zur Ruhe zu kommen. Er rechnete nicht mit einer vorzeitigen Haftentlassung und versuchte daher, sich so gut wie möglich auf ein Leben nach dem Zuchthaus vorzubereiten.

Praktisch über Nacht, bedingt durch das Amnestiegesetz vom 14. Juli 1928, gelangte Höß plötzlich und unerwartet wieder in Freiheit. In der ersten Zeit kam er bei einer befreundeten Familie in Berlin unter und brauchte einige Tage, um außerhalb der Gefängnismauern wieder klar zu kommen. Nach 10 Tagen verließ Höß Berlin, um eine Stelle als landwirtschaftlicher Beamter anzutreten. Seine Freunde und Verwandten versuchten ihn mit aller Kraft von seinen alten Parteifreunden der NSDAP fernzuhalten, schlugen ihm vor, auszuwandern. Höß lehnte es jedoch ab, ins Ausland zu gehen, wollte aber auch nicht zurück zu seinen alten Nazi-Freunden. Vor allem sein späterer Förderer Martin Bormann hätte ihn gerne in der ersten Reihe der Parteigarde gesehen.

Dabei identifizierte Höß sich durchaus mit den Zielen und Idealen der Nazis, lehnte jedoch deren Massenveranstaltungen und die Hetzreden die dort zu hören waren ab. Irgendwie konnte er nach seinen eigenen Aussagen den Ton der Reden nicht leiden. Trotz allem hatte er nicht vor, die Partei zu verlassen, legte jedoch auch keinen Wert auf eine Funktion innerhalb derselben. Höß ging sogar so weit, daß er alle Verbindungen zu seinen Freunden und Verwandten kappte, seinen erst kürzlich angetretenen Beruf als landwirtschaftlicher Beamter kündigte und dem Bund der Artamanen beitrat.


Ein neues Leben beginnt



Dieser 1923 in München gegründete „Bund Artam e.V.“ war eine Idee des äußerst rechten Flügels der Jugendbewegung und träumte von der Rückkehr zur Scholle, verehrte die "Blut und Boden"-Ideologie, sah in den weiten Landgebieten des Ostens die ursprüngliche Heimat der Germanen, die es galt zurück zu erobern. Nicht Rhein und Ruhr standen im Blickfeld der Artamanen, sondern die Weichsel und die Memel. Dort traf Höß auch auf den späteren Reichsbauernführer Richard Walther Darré sowie auf den Mann, der maßgeblichen Einfluss auf sein Leben nehmen würde: Heinrich Himmler. Auch lernte er dort seine spätere Frau Hedwig Hensel kennen. Es war praktisch Liebe auf den ersten Blick und schon im Jahre 1929 heirateten die Beiden. Aus ihrer Ehe sollten 5 Kinder hervorgehen.


Start einer steilen Karriere bei der SS




Schutzhaftlager Dachau - SS-Wachablösung



Es war Heinrich Himmler selbst, der Rudolf Höß das Angebot unterbreitete, der SS beizutreten. Am 20. September 1933 wird er als „Anwärter“ in die SS aufgenommen.

Am 1. April 1934 wurde er als SS-Mann angenommen und nur wenige Tage später, am 20. April zum SS-Sturmmann befördert.

Himmler wollte Höß in der Wachmannschaft des KZ Dachau einsetzen. Höß selbst hatte zu dieser Zeit keine Ahnung, was ein Konzentrationslager eigentlich war, er trat seinen eigenen Angaben zufolge seinen Dienst in der „SS-Totenkopf-Standarte Oberbayern“ an, ohne zu wissen was wirklich auf ihn zukam. Er war der Meinung, ganz normaler Soldat zu werden, obwohl er schon vor Dienstantritt wusste, daß er zu Theodor Eickes KZ-Wachtruppen versetzt werden würde.

So begann Höß seine neu gestartete Soldaten-Karriere im Konzentrationslager Dachau. Bereits zuvor wurde er noch zum SS-Unterscharführer befördert. Wie vom Reichsführer-SS Himmler versprochen, sollte er schnell befördert werden. Nicht zuletzt diese Zusage und die Aussicht auf den damit verbundenen höheren Sold hatten Höß die Entscheidung erleichtert, der SS beizutreten. Jahre später in einem polnischen Gefängnis wird er diesen Schritt in seinen Memoiren bitter bereuen.

Kurz nach seinem Dienstantritt in Dachau wird Höß von seinen Vorgesetzten belehrt, wie er mit „Staatsfeinden“ umzugehen hat und daß er den Waffengebrauch gegen diese „Volksschädlinge“ nicht zu scheuen habe. Am Anfang versah er seinen Dienst als Block- und Rapportführer. Schon von Anfang an musste er mit ansehen wie wegen kleinster Vergehen brutalste Prügelstrafen verhängt und durchgeführt wurden. Dabei wollte Eicke, dass bei Prügelstrafen immer mindestens ein Zug der Wachmannschaften angetreten sein musste um alles mit anzusehen.

Bei Höß´ erstem Fall wurden zwei Gefangene der Prügelstrafe unterzogen, die dabei erwischt wurden, wie sie sich heimlich Zigarretten besorgen wollten. Der frisch gebackene SS-Mann Höß konnte die Schreierei nur schwer ertragen, konnte bzw. durfte seinen Blick jedoch nicht abwenden, weil er zufällig in der ersten Reihe stand. In seinen späteren Erinnerungen würde diese Bestrafung der Häftlinge einen tieferen Eindruck hinterlassen, als die erste Exekution, die er selbst durchzuführen hatte.

Dabei lehnte Höß nach eigenen Angaben jede Art von Sadismus ab, konnte sich niemals am Leid der Gefangenen ergötzen. SS-Männer, die solche Taten genossen und sich dabei zu übertreffen suchten, wurden von Höß verachtet. Nichts desto trotz würde er selbst jedoch jeden Befehl gewissenhaft und pflichtgetreu ausführen. Als er später Kommandant in Auschwitz wurde, hat es Höß nach Möglichkeit vermieden, solche Bestrafungen persönlich mit ansehen zu müssen. Befehlen und durchführen lassen würde er sie trotzdem, sowie seine Unterschrift ohne zu Zögern unter Vollstreckungsbefehle setzen. Ganz der pflichtbewusste Beamte der er war. Für ihn kam zuerst die Pflicht, der Befehl. Menschliches Leid rangierte immer an letzter Stelle, so wie er es bei Eicke gelernt hatte, niemals durfte ein SS-Mann Schwäche zeigen.

Himmler und vor allem jedoch Theodor Eicke gaben den KZ-Wachmannschaften das Gefühl für ihr Volk zu kämpfen. Sie vermittelten ihnen, daß sie die einzigen Soldaten seien, die auch in Friedenszeiten mit der Waffe am Feind stehen würden, am Feind hinter dem Draht. Eicke bläute ihnen immer und immer wieder ein, dass Mitleid mit den "Staatsfeinden" und "Volksschädlingen" fehl am Platze sei, dass er in seiner Truppe nur die härtesten SS-Männer brauchen könne. Jemand der Mitleid oder gar Erbarmen mit den Gefangenen zeige gehörte nach Eickes Meinung selbst hinter Gitter.

Als Blockführer war Höß für 270 Häftlinge verantwortlich. Nach kurzer Zeit kannte er alle und konnte sie auch einschätzen. 1934 war es noch möglich nach einiger Zeit im KZ auch wieder entlassen zu werden. Die meisten seiner 270 Häftlinge wurden auch tatsächlich nach mindestens 6 Monaten Zwangsarbeit wieder freigelassen. Solche die in den Augen der SS jedoch "unverbesserlich" waren, wurden weiter in "Schutzhaft" gehalten. Ihre Entlassung war auf unbestimmte Zeit verschoben und meist sollte es für diesen Personenkreis auch keine Freiheit mehr geben.



Schutzhaftlager Dachau - Stab Himmlers bei der Besichtigung eines Kasernenbaus der SS in Dachau



1936 erlebten die KZ einen neuerlichen starken Häftlingszuwachs, da ganz Deutschland von Landstreichern und Bettlern „gesäubert“ wurde. Man wollte damals zur Olympiade den ausländischen Besuchern ein sauberes Deutschland präsentieren. Als "Asoziale" gekennzeichnet wurden diese armen Menschen als sogenannte "Volksschädlinge" in die Lager der SS verbracht. Zu dieser Zeit interessierte sich Höß eigenen Aussagen zufolge noch für die Gefangenen und scheute auch persönliche Gespräche mit ihnen nicht. Er erfuhr, dass alle Willkür der SS oder der 'Kapos', der höherrangigen Mithäftlinge, alle Misshandlungen den Gefangenen weit weniger zusetzte als die Ungewissheit, wie lange die Gefangenschaft noch andauern würde.

Dabei machte die Zwangsarbeit, die sie zu verrichten hatten, das Leben im Lager erträglich, ohne Arbeit eingesperrt und den drakonischen Strafen ausgesetzt, wäre es für sie unerträglich geworden. Bald bildete sich bei Höß die Meinung, dass das einzige wirksame Erziehungsmittel für Häftlinge die Zwangsarbeit war, der Entzug derselben eine harte Strafe. Theodor Eicke, der als Kommandant des Konzentrationslagers Dachau die Devise "Arbeit macht frei" anbringen ließ, wurde dabei für Höß zum Vorbild. Als Kommandant von Auschwitz würde er den selben Spruch über den Eingang des Stammlagers anbringen lassen.

Dabei war sich Höß der Nöte seiner Häftlinge durchaus bewusst. Er konnte sich der Eindrücke auch nicht verschließen, wenn er "Tatorte" besichtigen musste, an denen ein Häftling Selbstmord verübt hatte. Aber er fühlte sich als SS-Mann seinem Eid und seinen Pflichten verbunden, sah mit steinerner Miene zu, wenn Häftlinge bei den Prügelstrafen, die er selbst angeordnet hatte, schrien oder um Gnade bettelten.

Auch im Seziersaal der Sanitätsbaracke musste er Tote begutachten, die "in den Draht gegangen" waren. Äußerlich ließ er sich nichts anmerken, jedoch soll es ihn, laut eigenen Angaben, innerlich sehr aufgewühlt haben. Aber wie er sich als Junge schon nicht gegen seinen Vater auflehnen konnte, so folgte er auch jetzt ohne zu Zögern den Anweisungen, die Eicke ihm erteilte. Gewissenlos, kalt, nach außen ohne jegliches Mitgefühl - ganz der SS-Mann, wie man es von ihm erwartete.

Dabei will Höß sich tatsächlich mit dem Gedanken getragen haben, aus der SS wieder auszuscheiden. Er erinnerte sich an seinen eigenen Gefängnisaufenthalt, wusste sehr wohl, was es hieß, eingesperrt zu sein, welche psychischen Belastungen selbst ein Gefangener ausgesetzt war, der nicht noch zusätzlich körperlich misshandelt wurde. Jedoch brachte er den Mut nicht auf, zu Eicke zu gehen und ihn um Entlassung aus der Wachmannschaft zu bitten. Höß wollte nicht als "verweichlicht" gelten, wollte nicht wieder ein Versager sein wie zu der Zeit, als er das Freikorps verlassen hatte. Das ihm anerzogene Pflichtbewusstsein, sein Eid und sein Stolz verhinderten seinen Rücktritt und so führte er seine Tätigkeit gewissenhaft fort, versah seinen Dienst mit dem größtmöglichen Eifer. Dazu kam, dass Höß der festen Überzeugung war, dass die SS eine notwendige Einrichtung des Staates sei, um das Volk vor schädlichen Staatsfeinden zu schützen.


Höß´ Zeit in Sachsenhausen




Rudolf Höß und Heinrich Himmler



Mittlerweile war Höß auch durch den gezeigten Eifer und die Sorgfältigkeit, mit der er alle Anweisungen ausführte, wie versprochen, zügig befördert worden. Im Zuge seiner Beförderung zum SS-Hauptsturmführer wird er am 1. August 1938 als Schutzhaftlagerführer und Adjudant des Lagerkommandanten nach Sachsenhausen versetzt. In Sachsenhausen lernte er die Inspektion der Konzentrationslager und als Adjutant auch Eicke selbst näher kennen, da dieser das Lager unter seine persönliche Aufsicht gestellt hatte. Zu dieser Zeit kam Höß der nationalsozialistischen Ideologie und auch anderen Nazigrößen persönlich näher. Alte Kameraden aus seiner Freikorpszeit hatten nun Posten in Hitlers persönlichem Führungsstab, in der Reichsjugendführung und im Stab Rosenberg.

Höß´ Glauben an die Bewegung und an den Führer Adolf Hitler festigte sich weiter, nicht zuletzt auch durch dessen „außenpolitische Erfolge“. Dieses bedingungslose Eintreten für die Ziele des Nationalsozialismus machte es ihm auch möglich, seine Tätigkeit weiter auszuüben und seinen Dienst gewissenhaft zu leisten. Er wollte pflichtbewusst seinen Beitrag in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft leisten, auch wenn es eine für ihn unangenehme Tätigkeit war, die er zu bewältigen hatte. Sämtliche Bedenken und Gewissensbisse mussten für Höß zurückstehen, wenn es darum ging, Deutschland wieder zu einer angesehenen Position in der Welt zu verhelfen. Dass jedoch gerade seine Arbeit Deutschland für immer mit einem Makel versehen würde, konnte und wollte er zu diesem Zeitpunkt nicht wahrhaben.

Seinen ersten „Dienst für Führer, Volk und Vaterland“ durfte Höß dann auch noch in der ersten Nacht seiner neuen Position als Adjudant des Lagerkommandanten und damit als Führer des Kommandanturstabes ausüben. Laut Befehl des Reichsführers-SS sollten in Zukunft alle Exekutionen im Reich in den nächst gelegenen KZs durchgeführt werden.

Für Höß bedeutete dies, daß er gleich an seinem ersten Tag in Sachsenhausen um 22 Uhr eine Exekution durchzuführen hatte, da diese in seinen Zuständigkeitsbereich als Schutzhaftlagerführer fielen. Sämtliche Exekutionen in Sachsenhausen mussten von ihm durchgeführt und beaufsichtigt werden.

Schnell ließ er noch einen Pfahl in einer Sandgrube eingraben, als auch schon die Wagen der GESTAPO im KZ einfuhren. Höß führte den zum Tode Verurteilten zum Pfahl und gab anschließend das Kommando zum Feuern. Er hatte dann noch die Aufgabe, den Fangschuss abzugeben, was er auch kühl durchführte. Nach Abschluss der Exekution wurde noch der Lagerarzt gerufen, um den Tod auch sicher feststellen zu lassen, denn es musste ja alles seine Richtigkeit haben. Angespornt wurde Höß noch durch die Tatsache, dass Eicke selbst und einige andere Führer aus der Ersatz-Formation bei dieser ersten Exekution in einem KZ persönlich anwesend waren. Da alles so schnell gehen musste und sich für Höß an diesem Tag die Ereignisse überschlugen, konnte er erst am Abend realisieren, was eigentlich geschehen war. Die brutale Realität hatte ihn eingeholt und ihm wurde bewusst, dass er zum ersten Mal in seinem Leben selbst den Befehl gegeben hatte, einen anderen Menschen zu töten.

Von diesem Tag an waren Exekutionen in den KZs an der Tagesordnung. Täglich musste Höß Erschießungskommandos zusammenstellen, Schießbefehle erteilen und selbst die Fangschüsse abgeben. Mit der Zeit entwickelte er eine Routine bei dieser Aufgabe und konnte sie durchführen, ohne daß sie ihn psychisch sonderlich belastet hätte. Er hatte das Glück, daß er niemanden kannte, den er zum Pfahl führen musste. Bis er eines Tages plötzlich einen Mann vor sich hatte, der ihm persönlich bekannt war, mit dem er viel zu tun gehabt hatte. Es war ein STAPO-Beamter und SS-Führer, der auch des Öfteren mal mit ihm im Kasino zusammengesessen hatte. Am Vortag noch saßen sie Beide bei einem Bier und unterhielten sich über die Exekutionen und schon am nächsten Tag sollte der Beamte selbst erschossen werden. Höß führte diesen Befehl kalt durch, es kostete ihm jedoch Überwindung den Fangschuss an die Schläfe zu setzen, aber auch das tat er, um sich nichts anmerken zu lassen, in offensichtlich ruhiger Gelassenheit. Der Mensch, der am Tag zuvor noch sein Kamerad gewesen war, ging still und gefasst in den Tod.



Eingangstor zum KZ Sachsenhausen bei Oranienburg



Höß war nach dieser Tat jedoch innerlich aufgewühlt und so ging er noch mit dem damaligen Kommandanten Hermann Baranowski, der ebenfalls Zeuge der Hinrichtung gewesen war, still durch das Lager. Später erfuhr er, dass der Beamte den Auftrag gehabt hatte, einen kommunistischen Funktionär zu verhaften und ins Lager zu bringen. Da er den Kommunisten gut kannte, erlaubte er ihm, nochmals in seine Wohnung zu gehen um sich umzuziehen und danach sich von seiner Frau zu verabschieden. Während der Beamte sich mit der Ehefrau im Wohnzimmer unterhielt, flüchtete der Beschuldigte durch einen anderen Raum. Die Flucht wurde zu spät erkannt und so schlug die Verhaftung fehl. Sofort wurde der Beamte, Mitte 30 und Vater von 3 Kindern, von der GESTAPA verhaftet und vom Reichsführer SS persönlich zum Tode verurteilt. Selbst Reinhard Heydrichs Fürsprache nutzte nichts, um das Todesurteil noch abzuwenden, Heinrich Himmler wollte ein Exempel statuieren und ließ sich davon nicht mehr abbringen.

Eicke predigte weiter auf seine SS-Führer ein, daß sie noch härter werden sollten. Wie Himmler war er der Meinung, dass ein SS-Mann sogar seine nächsten Verwandten töten können muss, ja wenn es ihm befohlen wird sogar die eigene Mutter. Höß hörte schweigend zu und auch wenn ihn später Gewissensbisse plagen würden, zu diesem Zeitpunkt gab es für ihn nur den Dienst, den er für sein Volk tun zu müssen glaubte. Jedoch waren viele ältere SS-Führer mit teilweise sehr niedrigen Dienstnummern der Meinung, dass die Henkersarbeit der Totenkopfverbände den schwarzen Rock der Schutzstaffel besudele.

Als Eicke von solchen Aussagen erfuhr und diese Himmler mitteilte, wurden die Betroffenen zur Rede gestellt und meist in ihrer gesamten Laufbahn nicht mehr befördert oder ausgezeichnet. Für Theodor Eicke war die Vernichtung der Staatsfeinde im Inneren genauso die Pflicht eines Soldaten, wie die Vernichtung der Feinde draußen an der Front und könne daher genauso wenig verwerflich sein. Sein Reichsführer SS stand mit dieser Ansicht voll hinter ihm.

Die Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 verschaffte dem KZ Sachsenhausen eine wahre Flut an Neuzugängen. Alleine in dieser Nacht bzw. den folgenden Tagen wurde das Lager mit den von den Nationalsozialisten so geächteten Juden überfüllt. Auslöser war die Ermordung des Legationssekretärs an der deutschen Botschaft in Paris, Ernst vom Rath, durch den erst siebzehnjährigen Herschel Grynszpan. Laut Aussage der Nationalsozialisten ein vom deutschen "Volkszorn" spontan durchgeführter Racheakt, in Wahrheit jedoch eine sorgfältig geplante Aktion des NS-Regimes, wie man sehr gut in den Tagebüchern des ehemaligen Propagandaministers Josef Goebbels nachlesen kann.

Es wurden vor allem gut situierte Personen verhaftet und nach Sachsenhausen verfrachtet. Bis dahin war Höß nicht bekannt, dass Kapos oder Wachmannschaften bestochen wurden – ab der Reichskristallnacht änderte sich die Situation. Viele Wachleute konnten der Versuchung nicht widerstehen und es kam vor, dass Gefangene begannen, sich Vergünstigungen bzw. teilweise sogar Fluchthilfen zu erkaufen.

Höß selbst gibt dabei an, keinerlei Hass Juden gegenüber verspürt zu haben und stets korrekt beziehungsweise nach Vorschrift mit ihnen umgegangen zu sein. Aufgrund der Tatsache, dass er dem stark rassistisch eingestellten Artamanenbund angehört hatte und auch die nationalsozialistische Weltanschauung mit ihrem ausgeprägten Antisemitismus bedingungslos unterstützte, muss man diese Aussage in Zweifel ziehen. (Da Theodor Eicke selbst die brutalen Vorschriften erlassen hatte, mit denen Gefangene in den Konzentrationslagern behandelt wurden, wiegt Höß´ weitere Ausführung in dieser Hinsicht wohl nicht viel und mag dahingestellt bleiben. Anm. d. V.)

Aufgrund des großen Zustroms an Gefangenen mussten auch die Wachmannschaften verstärkt werden. Höß war nicht damit einverstanden, daß ihm vom Reichsführer SS Frauen als Wachen für die weiblichen Häftlinge zugeteilt wurden. Meist waren es bereits vorbestrafte Frauen, die Höß aufgrund ihrer Brutalität, Gemeinheit und Verworfenheit verabscheute. Vielmals drangen auch Berichte über diverse Sex-Affairen der weiblichen Kapos zu Höß durch, was seine Abscheu nur noch steigerte. Höß versuchte mit vermehrter persönlicher Anwesenheit die „Geschäfte“ der „Dirnen“, wie er sie stets nannte, zu unterbinden. Dabei zeigt sich, dass Höß wohl auch von einer gewissen Frauenfeindlichkeit besessen war. Er begegnete ihnen zwar höflich, Achtung brachte er ihnen jedoch nur entgegen, wenn er sich ihrer moralischen Integrität sicher war.

Durch das Anwachsen der Häftlingszahlen wurde die Situation zusehends unübersichtlicher für ihn und er konnte die allgemeine Korruption in seinem Zuständigkeitsbereich nicht verhindern. Dabei gab es auch von Seiten Himmlers strenge Anweisungen, sollten SS-Angehörige diesen Verlockungen erliegen.

Es mag sinnweisend für die SS sein, dass sich trotz Strafandrohung viele bereicherten. Gemessen an den Vorfällen gab es nur wenige, dann jedoch durchaus drastische Bestrafungen. Auch später in Auschwitz als Kommandant würde ihm die Eindämmung der Korruption nicht gelingen, was auf eine gewisse Führungsschwäche des peniblen Beamten hindeutet. In Sachsenhausen hatte Höß auch erstmals Kontakt zu Bibelforschern oder "Zeugen Jehovas", wie sie sich selbst nannten. Er war tief beeindruckt, mit welcher Inbrunst diese Menschen den Glauben an ihren Gott lebten. Als eines Tages 2 Bibelforscher exekutiert werden mussten, gerieten diese Beiden förmlich in Ekstase, als ihnen die Todesurteile mitgeteilt wurden. Ihre Glaubensgenossen freuten sich mit ihnen, da sie nun endlich die Möglichkeit hatten zu Jehova zu gelangen und forderten selbst auch erschossen zu werden. Als Höß, ungläubig des Erlebten, sie zur Exekution führte, konnten es diese gar nicht erwarten, sie begannen beinahe zu laufen um den Ort ihrer Hinrichtung schneller zu erreichen. Sie wollten auch nicht gefesselt werden, denn bei der Exekution wollten sie ihre Hände gen Himmel strecken können, um den Tod zu empfangen und als Märtyrer zu Gott zu gelangen.



Gefangene 1938 im KZ Sachsenhausen



Höß war von diesem Verhalten, von diesem unerschütterlichen fanatischen Glauben, schwer beeindruckt und befasste sich einige Zeit mit den Bibelforschern. Er führte einige Gespräche mit ihnen, um sie besser verstehen zu können. Die Zwangsarbeit wurde von ihnen verlässlich erledigt, sie mussten dabei nicht einmal beaufsichtigt werden, denn sie dachten gar nicht daran zu flüchten, sie wollten dieses Leid für ihren Glauben ertragen.

1938 / 1939 war es an sich noch verhältnismäßig leicht für einen Zeugen Jehovas aus dem KZ entlassen zu werden, denn eine Unterschrift unter einen Revers, indem sich der Betreffende von seiner Lehre lossagte, war die Fahrkarte in die Freiheit. Alle, die einen derartigen Revers unterschrieben hatten, wurden sofort entlassen.

Nur wenige zogen jedoch diese Möglichkeit in Betracht, der Großteil der Bibelforscher blieben bei ihrem Glauben und ertrugen die Zwangsarbeit und das KZ mit Fassung, ja gar mit Stolz. Trotz der insgeheimen Achtung, die Höß für diese Gefangenen empfand, behandelte er sie wie alle anderen auch, immer der kühle, beherrschte SS-Mann.

Höß machte hingegen keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Verbrecher, die wegen Sexualdelikten verurteilt und nach Sachsenhausen gebracht wurden. Meist lautete der Befehl, unabhängig wie hoch die Strafe des Gerichts ausfiel, auf sofortige Exekution. Der Reichsführer SS kannte hier keine Gnade und Höß führte die Exekutionen aus Überzeugung durch. Er konnte nicht fassen, daß diese „Subjekte“ um Gnade flehten und am Pfahl angebunden werden mussten, da sie sich meist mit aller Kraft gegen die drohende Erschießung wehrten. Nicht zuletzt aufgrund dieser Gegenwehr sanken diese Verbrecher nur noch mehr in seinem Ansehen. Für ihn waren diese Menschen Abschaum, der vertilgt werden musste. Höß musste das Volk seiner Meinung nach vor diesen Schädlingen bewahren.

Hier macht sich auch die streng katholische Erziehung des SS-Mannes Rudolf Höß bemerkbar. Er begann gegen eine, wie er es nannte, Seuche im Lager anzukämpfen: die männliche Homosexualität. Obwohl der Anteil der homosexuellen Häftlinge zu vernachlässigen gewesen wäre, sah Höß wie sich diese „Krankheit“ (lt. Höß) ausbreitete und versuchte sie mit allen Mitteln zu bekämpfen. Da alle möglichen Bestrafungen dieses Problem nicht mal im Ansatz beseitigen konnten, wurden alle Homosexuellen in einen gesonderten Teil des Lagers verlegt und mussten abgeschieden von allen anderen ihre Zwangsarbeit verrichten. Mit zynischer Freude konnte Höß Erfolge verzeichnen, wonach Homosexuelle durch besonders schwere Zwangsarbeit und gesonderte Bewachung weder die Kraft, noch die Gelegenheit hatten, zu ihrem „widernatürlichen Verkehr“ zu kommen.

Und so gibt Höß noch mehr Rätsel auf. Auf der einen Seite will er Mitleid für Häftlinge gefühlt haben, auf der anderen Seite war er unerbittlich gegen alle, die seinen Moralvorstellungen nicht entsprachen.

Im Oktober 1939 wurde Eicke mit der Aufstellung der SS-Totenkopf-Division beauftragt. Aus diesem Grund wurde das KZ Dachau vorübergehend aufgelassen und alle Häftlinge nach Flossenbürg gebracht. Nun nahm auch der Plan nach neuen Lagern im besetzten Polen Gestalt an. Gedacht waren diese in erster Linie als Zwischenstationen für Zwangsarbeiter, die im Reichsgebiet eingesetzt werden sollten. Einer dieser Pläne umfasste auch, ein Lager in Auschwitz zu bauen. Da Eicke selbst das Kommando über die Totenkopf-Division übernahm, wurde sein Nachfolger als Inspekteur der KZs SS-Oberführer Glücks. Glücks war ein erklärter Gegner von Höß, neidete ihm dessen Verbindungen zu Bormann und Himmler, und somit wurde Höß mit dem Bau des neuen KZs in Auschwitz beauftragt. Der Lagerkommandant von Sachsenhausen, Loritz, konnte den „arbeitswütigen“ Höß ebenso wenig leiden und war froh, ihn auf diese Art und Weise los zu werden.


Auschwitz wird geboren






Am 17. und 18. April 1940 besichtigt Höß mit einer Kommission das Gelände in Auschwitz um festzustellen, ob es für den Bau eines KZs geeignet wäre. Die vom Reichsführer SS einberufene Kommission kommt zu dem Schluss, dass Auschwitz geeignet ist – und am 4. Mai 1940 wurde Höß daher mit dem Bau des Konzentrationslagers beauftragt. Dabei stand der Start in Auschwitz unter keinen guten Stern, dem frisch gebackenen Kommandanten wurde von Anfang an klar gemacht, daß er nicht mit sonderlich viel Hilfe zu rechnen habe. Auschwitz war notwendig, da war sich die Führung einig, aber niemand wollte allzuviel in das Lager investieren. Das KZ sollte mit so wenig Aufwand wie möglich errichtet werden. Höß versuchte die mangelnde Unterstützung mit persönlichen Einsatz auszugleichen. Stets war er schon im Dienst, bevor noch der erste SS-Mann aufgestanden war und war auch meist der Letzte, der Abends seinen Rock auszog. Höß hatte von Anfang an vor, daß die Arbeitsleistung der Häftlinge in Auschwitz über der der anderen KZs liegen sollte. Er plante, seine Häftlinge besser zu behandeln und dadurch mehr Einsatz bei ihnen zu erreichen. Zugleich war ihm jedoch auch bewusst, dass ein rigoroses Vorgehen gegen die Polen bei seinen Vorgesetzten erwünscht war. Schon bald stellte er fest, dass bei der Auswahl seines Wachpersonals besonders Wert auf brutales Auftreten gelegt worden war. Er merkte, daß es ihm nicht gelingen würde, aus den Gefangenen das herauszuholen, was er sich vorgenommen hatte – den Grund dafür sah er in den SS-Männern, die ihm zugeteilt wurden. Allesamt unter Eicke ausgebildet, war der aus anderen KZs gewohnt brutale „Umgangston“ den Internierten gegenüber an der Tagesordnung.

Wiederholt versuchte er den Wachmannschaften seine Ideen, seine Vorhaben näher zu bringen, Eickes Doktrin jedoch war zu sehr in den Köpfen und so konnte er nicht erreichen, daß den Gefangenen ein schonenderer Umgang zuteil wurde. Hier zeigten sich die mangelnden Führungsqualitäten, die bei dem ehemaligen Unteroffizier des 1. Weltkrieges augenscheinlich zu Tage treten. Da die von Höß geforderte Arbeitsleistung bei weitem nicht erreicht werden konnte, wurde ihm bald klar, dass diese von der obersten Führung weder verlangt noch gewünscht wurde. Sein erster Schutzhaftlagerführer, SS-Hauptsturmführer Karl Fritzsch, galt als besonders brutal und beschränkt. Was Höß besonders sauer aufstieß, war das teilweise viehische Verhalten, dass seine Untergebenen den Gefangen gegenüber zeigten. Diese Brutalität war in seinen Augen unnötig und erschwerte nur seine Arbeit bei der Verwaltung des Lagers. Abgestellt hat er sie hingegen jedoch nicht. Obwohl sich Höß um eine Versetzung der bei ihm besonders unbeliebten Führer Fritzsch und Meier einsetzte, gelang es ihm nicht vor Januar 1942, Fritzsch versetzen zu lassen. Meier ließ er sogar wegen mehrer Vergehen vor ein SS-Gericht stellen. Der Ersatz, den er für Beide bekam, würde sich jedoch nicht sonderlich unterscheiden.

Höß übernahm alles mögliche an Arbeit, die anfiel, nur um die Unfähigkeit seiner Untergebenen auszugleichen. Er versuchte sich um alles zu kümmern und erfüllte ein teils umenschliches Arbeitspensum. Er kümmerte sich um die Schutzhaftlagerführung, verhandelte mit den Wirtschaftsverwaltungsämtern, kümmerte sich um die Versorgung der Mannschaften, zog Arbeitseinsätze für Häftlinge außerhalb des Lagers an Land. Er organisierte Treibstoff für den Fuhrpark, organisierte Bettgestelle und Strohsäcke in Zakopane und im Sudetenland, während man sich in Berlin immernoch um die Zuständigkeit für den Aufbau des Lagers stritt. Höß sah sich als einen Mann der Taten und ging streng nach dem Vorsatz: „Was man selbst nicht macht, ist nicht gemacht“. Dass er bei der ganzen zusätzlich übernommenen Arbeit die Disziplin der ihm unterstellten Wachmannschaften vernachlässigte, sah er nicht. Ende 1940 musste Höß zum ersten Mal persönlich Meldung beim Reichsführer SS machen. Er hatte über den Aufbau und die stetige Erweiterung des Lagers zu berichten. Höß nutzte die Gelegenheit, auf Mißstände aufmerksam zu machen. Diese wurden von Himmler jedoch geflissentlich überhört. Stattdessen bekam Höß nur den Auftrag, das Lager auszubauen und zu erweitern. Im März 1941 besuchte Himmler zum ersten Mal Auschwitz und nahm die Arbeit von Höß in Augenschein. Grund waren Verhandlungen mit der I.G. Farben, die in der Nähe von Auschwitz ein BUNA-Werk errichten wollten. Sämtliche Einsprüche von Seiten der ortsansässigen NSDAP-Führer wischte Himmler zur Seite und verlangte von Höß, die Kapazität des Lagers von 10.000 auf 30.000 Gefangene zu erweitern. Himmler verließ zufrieden das Lager und schwelgte in Plänen, die er mit Auschwitz noch hatte. Auschwitz sollte noch viel weiter ausgebaut werden, es sollte gar zum größten KZ erweitert werden. Höß war für Himmler genau der richtige Mann an der Spitze der Lagerführung, er habe aus Nichts etwas geschaffen – Himmler hielt daher schon weitere Aufgaben für ihn bereit.



Richard Bär, Josef Mengele, Josef Kramer, Rudolf Höß



Höß´ Gegner Glücks warf ihm allerdings vor, daß es in Auschwitz keine Kameradschaft unter den SS-Männern geben würde. Auch ließe die Disziplin bei der Wachmannschaft zu wünschen übrig. Bei Höß stellten sich hingegen aufgrund der selbst auferlegten Mehrarbeit langsam Ermüdungserscheinungen ein und er begann, wie viele seiner Wachmänner auch, zu Trinken. Er versuchte seine Nöte, seine Sorgen wegen seiner übermenschlichen Aufgabe in Alkohol zu ertränken, sehr zum Leidwesen seiner Familie, bei der die Arbeitsbelastung des Familienoberhauptes ebenfalls ihre Spuren zeigte. Immer öfter kamen nun Telegramme vom RSHA mit Listen von Häftlingen, die sofort hinzurichten seien. Zu dieser Zeit war der Großteil der Häftlinge noch durchwegs polnisch, unter ihnen befanden sich nur wenige Juden. Diese wurden zu dem Zeitpunkt nach wie vor in den Ghettos des Generalgouvernementes zusammengepfercht. Die zum Tode verurteilten wurden vornehmlich an der 'Schwarzen Wand' zwischen Block 10 und 11 exekutiert. Erst viel später sollte man bei Exekutionen dazu übergehen, diese entweder mit einem Kleinkalibergewehr und einem Genickschuss durchzuführen oder aber den Gefangen zu hängen. Wie immer, Höß fragte nicht lange nach, sondern versuchte die ihm auferlegten Befehle exakt und schnellstmöglich auszuführen. Aus persönlichem Interesse beobachtete er stets, wie die Häftlinge ihre Todesurteile aufnahmen und wie sie in den Tod gingen. Immer wieder sah er sich an die Bibelforscher von Sachsenhausen erinnert, die fanatisch, teils hoch erfreut ihren Hinrichtungen entgegen gesehen hatten.

Das Konzentrationslager Auschwitz hatte sich mittlerweile einen fürchterlichen Ruf erworben. Man muss hier nur anführen, dass von den ersten 23.000 in das Lager eingelieferten Häftlingen bis Ende 1941 nicht einmal mehr die Hälfte lebte. Laut Höß eigenen Aussagen sträubten sich jedoch manche Gefangene, in ein anderes KZ überstellt zu werden. In seinen Erinnerungen schreibt er, dass er mit Gesuchen von Gefangenen überschüttet worden wäre, die Auschwitz nicht verlassen wollten. Dabei gehörte es zur Struktur der Konzentrationslager, Zwietracht unter den Gefangen zu säen, in dem manchen Gruppen Vorteile gewährt oder wieder entzogen wurden. Zweck war es zu verhindern, dass sich Häftlinge zusammenschlossen oder gar organisierten. Aufgrund der immer wieder aufkeimenden Machtkämpfe zwischen privilegierten Gruppen von Gefangenen war es möglich, mit einer Hand voll Wachmannschaften tausende Häftlinge unter Kontrolle zu halten.

Trotzdem mangelte es an allen Ecken und Enden an Personal. Der rasende Anstieg der Inhaftierten konnte von der bestehenden Mannschaft kaum mehr sinnvoll bewacht bzw. unter Kontrolle gehalten werden. Besonders problematisch waren die Arbeitskommandos, die außerhalb des Lagers eingesetzt wurden. Es gab einfach zu wenige SS Männer, um diese Arbeitseinsätze ordnungsgemäß überwachen zu können. Auschwitz hatte daher im Vergleich zu anderen Lagern unverhältnismäßig hohe Fluchraten zu verzeichnen. Um diese zu unterbinden setzte man auf das Prinzip der Abschreckung. Jedesmal nach einer geglückten Flucht ging der Kommandant des Lagers mit seinem Schutzhaftlagerführer Fritzsch durch die Baracke des Geflohenen und suchte Häftlinge zur Bestrafung aus. Diese wurden im Block 11 in eine Zelle gesperrt, bis sie verhungert waren. Aufgegriffene Flüchtlinge wurden äußerst grausam exekutiert.

Immer wieder forderte Höß bei Himmler persönlich bessere Führungskräfte für Auschwitz – in aller Deutlichkeit machte er dem Reichsführer SS klar, daß er mit dem Personal, dass ihm zur Verfügung stand, nicht arbeiten könne. Er versuchte Himmler zu vermitteln, daß ihm in Auschwitz nur Abschaum zugeteilt wurde und er mit derartigen Dilletanten nichts anfangen könne. Himmler quittierte diesen Vorstoß von Höß lediglich lapidar mit: „Sie werden sich noch wundern, mit welch unmöglichen Führergestalten Sie noch fertig werden müssen! Ich brauche jeden frontverwendungsfähigen Führer, Unterführer und SS-Mann an der Front.“

Der Reichsführer SS war daher nur noch offen für Möglichkeiten, wie man Wachpersonal einsparen konnte – sei es durch technische Hilfsmittel, oder durch die von Himmler persönlich eingeführten Hundestaffeln. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass Hunde nicht dafür geeignet waren, herkömmliche Postenketten zu ersetzen, da sie sich von Häftlingen beeinflussen ließen. Die Hunde konnten trotz aller Dressur nicht zwischen einem uniformierten SS-Mann und einem Gefangenen unterscheiden. Trotz allem wurde die Hundestaffel auf Befehl von Himmler stets erweitert und verstärkt – Höß hielt davon jedoch wenig, ja er verabscheute sogar die Hundeführer, da er der Meinung war, daß sich nur die schlechtesten SS-Männer zur Hundestaffel meldeten, weil der Dienst leichter war als bei den restlichen Totenkopfverbänden. Himmler versprach allen, die eine Idee hatten, wie man Personal bei der KZ-Bewachung sparen konnte, die sofortige Beförderung.

In Höß Augen war dieser vermehrte Einsatz von Drahthindernissen, elektrischen Zäunen oder gar Minenfeldern jedoch alles andere als praktikabel.


Der Befehl, der die Welt veränderte




Eingangstor des KZ Auschwitz



In der zweiten Hälfte des Jahres 1941 wird Höß von Himmler nach Berlin gerufen. In einer geheimen Unterredung eröffnet ihm Himmler, dass die Endlösung der Judenfrage von Hitler beschlossene Sache sei. Höß sollte die Ehrenvolle Aufgabe haben, diesen Führerbefehl auszuführen. Er solle das Konzentrationslager Auschwitz erweitern und ein gigantisches Nebenlager errichten, dass 100.000 Menschen aufnehmen könne. Diese Außenstelle sollte er in eine Vernichtungsstätte umwandeln, da die Lager weiter im Osten die zu erwartenden Häftlingszahlen alleine nicht hätten bewältigen können. Er sollte dafür sorgen, dass alle Judentransporte aus dem Reich und den besetzten Gebieten in Auschwitz aufgenommen werden können. Diese sollten dann, so die Sprache der Mörder, einer 'Sonderbehandlung' unterzogen werden. Er bekam den Auftrag, einen Weg zu finden, so viele Menschen wie möglich vernichten zu können. Nebenbei sollte das Ganze noch so geheim wie möglich durchführbar sein. So wenig Menschen wie möglich sollten von den Vorgängen im Lager etwas mitbekommen. Genaueres sollte Höß von Sturmbannführer Eichmann erfahren.

Höß versuchte gemeinsam mit Adolf Eichmann den besten Weg zu finden, wie man tausende von Juden vernichten könnte. Eichmann, der die Transporte organisieren musste und dadurch schon eine Ahnung von den zu erwartenden Menschenmengen hatte, konnte Erschießungen ausschließen. Die psychischen Belastungen der Erschießungskommandos wären zu hoch gewesen, da auch Frauen und Kinder erwartet wurden. In Auschwitz hatten seit Beginn des Russlandfeldzuges die Erschiessungen in einem erschreckenden Ausmaß zugenommen. Gefangene Rotarmisten, die unter den 'Kommissarerlass' fielen, wurden auf Anweisung von Heydrich in den Konzentrationslagern hingerichtet. Schon bald zeigte sich, dass die daraus entstehenden Belastungen auf Seiten der Täter zu groß waren. Als Alternative entschied man sich schließlich in ersten Versuchen, Gas zu verwenden. Bereits beim Euthanasie-Programm waren Kohlenmonoxid-Gasflaschen und vorgetäuschte Duschräume zum Einsatz gekommen, allerdings war die Kapazität viel zu gering, um die zu erwartenden Zahlen der 'Endlösung' wirklich effektiv durchführen zu können. Trotzdem sandte Höß im Herbst 570 vorwiegend politische Gefangene zu Testversuchen ins Reichsgebiet. Doch auch die „Tests“ mit Abgasen von Motoren (Panzer bzw. LKWs) verliefen nicht zufriedenstellend. Motoren gaben ihre Abgase nur unregelmäßig ab – somit konnte nicht mit Sicherheit im vorhinein bestimmt werden, wie lange die Tötung dauern würde. Oft waren nach 30 Minuten immer noch Lebende im LKW, in manchen Fällen konnten sie sogar die Seitenwände durchbrechen und mussten auf der Flucht letztlich dann doch erschossen werden.

Auschwitz sollte die größte Menschenvernichtungsanlage der Menschheit werden und Höß hegte keinerlei Zweifel, dass der Befehl eventuell falsch und unmoralisch sein konnte. Er erhielt die entsprechenden Befehle persönlich vom Reichsführer SS und hatte sie auszuführen. Himmlers Rechtfertigungen für die beschlossene Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa reichten völlig aus, um in Höß alle Zweifel zu beseitigen. Mit aller Kraft tat Höß seinen Dienst, erfüllte seine Aufträge um in seinen Augen den Dienst am Volke zu verrichten, wie ihn in anderer Form auch die Soldaten an der Front zu erledigen hatten. Dabei war „Führer befiehl, wir folgen!“ keineswegs nur eine hohle Phrase für ihn, sondern sein persönlicher Vorsatz, der seinen Einsatz im KZ Auschwitz erst möglich machte.

Der Kodex der SS sprach Höß zusätzlich von jeglichen moralischen Bedenken frei, ging es doch bei Opfern um sogenannte 'Untermenschen', wurden diese als nicht 'lebenswürdig' erachtet. Er selbst sah sich nur als kleines Rädchen in einer riesigen Maschinerie, der über Befehle nicht nachzudenken hatte oder sie gar hinterfragen durfte. Er hatte als treuer Nationalsozialist lediglich seine Aufgabe zu erfüllen – er hatte nicht die Weitsicht und den Überblick, den Himmler oder gar der Führer selbst haben mussten. Höß sprach zu dieser Zeit immer wieder über das leuchtende Vorbild der Japaner, die ihr Leben ohne Furcht opferten, um dem Ganzen zu dienen – auch die SS sollte diesem Beispiel folgen. Außenstehende, so war sich Höß sicher, konnten die Ansichten bzw. den Geist, der in der SS herrschte, weder verstehen noch begreifen.



Rudolf Höß mit "Besuchern" des KZ Auschwitz



Während Höß Ende August 1941 mit Eichmann zukünftige Vernichtungsmethoden von Auschwitz erörtete, wurde in seiner Abwesenheit das erste Mal Zyklon B eingesetzt. Bei diesem Versuch wurden mehrere hundert Häftlinge, zum größten Teil russische Kriegsgefangene, getötet. Zyklon B, ursprünglich vom Hersteller zur Bekämpfung von Ungeziefer gedacht, war in Auschwitz, wie auch in anderen Lagern, reichlich vorhanden und wurde vornehmlich bei der Entlausung der Häftlingsbekleidung eingesetzt. Dabei galt es, strenge Sicherheitsauflagen einzuhalten. Die Herstellerfirma Tesch & Stabenow (Testa) schrieb vor, dass nur ausgebildetes Personal das Mittel einsetzen durfte, obwohl die Handhabung im großen und ganzen recht unproblematisch war. Ob bei den ersten Versuchen allerdings ein ziviler Angestellter der Firma Testa anwesend war, mag nach den vorliegenden Gerichtsakten als eher unwahrscheinlich gelten.

Nach der Rückkehr aus Berlin meldete der Schutzhaftlagerführer Fritzsch seinem Kommandanten das Ergebnis der von ihm veranlassten Versuche. Höß setzte sofort einen weiteren Versuch an, dem er persönlich mit Gasmaske beiwohnte. Restlos überzeugt meldete er nach Berlin, die Lösung des Problems gefunden zu haben. Aufgrund der schnellen und vollständigen Tötung aller Gefangenen in einer provisorischen Gaskammer wurde beschlossen, für die Endlösung der Judenfrage auf Zyklon B zu setzen. Auf Höß selbst wirkte diese Form der Tötung „beruhigend“, da seiner Meinung nach auf diese Weise eine große Menge von Häftlingen in kürzester Zeit getötet werden konnte. Es beruhigte ihn außerdem ungemein, dass den SS-Männern die blutigen Erschießungen erspart werden würden.

Ein weiteres Problem für die SS stellte jedoch schon bald die Entsorgung der Leichen dar. Die Verbrennung der 600 russischen Kriegsgefangenen und 250 polnischen Häftlingen, die bei den Zyklon B-Versuchen umkamen, im Krematorium des Stammlagers zog sich über Tage hin und war unmöglich geheim zu halten. Nach Einrichtung der ersten provisorischen Gaskammer, dem roten Haus, ging man dazu über, die Leichen in große Gruben zu verscharren. Bald zeigte sich jedoch, dass die einsetztende Verwesung von Tausenden von Kadavern in der Sommerhitze einen unerträglichen Gestank hervorrief. Man experimentierte mit Sprengstoff, was allerdings auch keine zufriedenstellenden Ergebnisse brachte. Dann ging man dazu über, die Leichen auf großen Rosten über offenen Gruben zu verbrennen. Schon bald wurde jedoch der Plan von mehreren großen Krematorien entworfen, die die anstehenden Zahlen bewältigen sollten.

Anfang Oktober 1941 wurden ca. 10.000 russische Kriegsgefangene nach Auschwitz verlegt. Sie sollten das Außenlager Birkenau aufbauen. Zu Höß Entsetzen waren sie allesamt unterernährt und in einem miserablen Zustand. Er fühlte sich deswegen veranlasst, Zusatzrationen an Verpflegung zu veranlassen, um sie überhaupt für die schwere Arbeit einsetzen zu können. Dabei war die Unterbringung und die sanitären Verhältnisse unbeschreiblich schlecht, die strengen Zeitvorgaben aus Berlin verlangten von den Gefangenen nahezu Übermenschliches, selbst wenn sie ihm Vollbesitz ihrer Kräfte gewesen wären. Auch die zusätzlich ausgegebene Verpflegung konnte hier keine Abhilfe schaffen und schon bald litten die ausgezehrten Russen an Krankheiten und starben reihenweise dahin. Der Winter 1941 / 1942 setze den Russen schwer zu. Die Kälte waren sie gewohnt, doch die ständige Nässe, das nicht-mehr-trocken werden war für sie kaum zu verkraften. Ihre Anzahl schrumpfte von Tag zu Tag.

Höß teilte sie zum Entladen der Güterwaggons ein, die mit Rüben und Kartoffeln gefüllt in Auschwitz ankamen. Die Häftlinge verschlangen alles, was sie dabei in die Finger bekamen. Als eines Tages hundert von Ihnen zu Fuß den Weg zwischen Auschwitz und Birkenau zurücklegten, kamen sie an einem Kartoffelacker vorbei. Die Lebensmittel im Auge rannten sie gierig auf das Feld zu. Dort angekommen prügelten sich die russischen Häftlinge um jede Kartoffel. Die Wachmannschaften wussten sich nicht mehr zu helfen und ließen die Russen gewähren. Höß kam zufällig des Wegs und konnte die Ordnung mit Mühe wieder herstellen. Er musste noch mit ansehen, wie sich die Häftlinge gegenseitig buchstäblich wegen einer Hand voll Kartoffeln umbrachten.

Auch im Lager selbst fand Höß einen Russen erschlagen vor – den Körper mit einem stumpfen Gegenstand aufgerissen und die Leber herausgerissen. Diese Fälle von Kannibalismus waren auf Grund der miserablen Versorgungslage keine Seltenheit in Auschwitz. Es kam immer wieder vor, dass tote Gefangene von Mithäftlingen teilweise gegessen wurden beziehungsweise Menschen aus Hunger getötet wurden. Von den 10.000 Russen, die Birkenau ursprünglich bauen sollten, waren im Sommer 1942 nur noch wenige Hundert am Leben. Höß war der festen Meinung, dass dieser letzte Rest nur auf Kosten der anderen Russen hatte überleben können. Sie wurden ab Sommer 1942 nur noch als „fliegende Arbeitskommandos“ eingesetzt und leisteten in seinen Augen durchaus gute Arbeit. Als ihnen jedoch verkündet wurde, dass sie in den neu fertiggestellten Bereich des Lagers verlegt werden sollten, verübten sie einen Massenausbruch. Dabei wurden fast alle erschossen. Der Rest, der wieder eingefangen wurde gab an, dass sie Angst hatten vergast zu werden. Selbst den Russen war nicht entgangen, daß in Auschwitz-Birkenau die Vernichtung von großen Menschenmassen durchgeführt wurde.


Die "Endlösung" beginnt...




v.l.n.r Dr. Eduard Wirths, Dr. Enno Lolling, Richard Baer, Adjutant Karl Hoecker und Rudolf Höß



Im Frühjahr 1942 kamen die ersten Transporte aus der Slowakei, die komplett vernichtet werden mussten. Sie wurden zu dem Gehöft mit der ersten Gaskammer geführt, während einige Blockführer mit ihnen plauderten, um so wenig Angst wie möglich bei den Ankömmlingen zu erzeugen. Bis zuletzt wurden sie über ihr bevorstehendes Schicksal im Dunkeln gelassen. Bei diesen ersten Transporten stellte sich heraus, dass trotz aller Ablenkungsmanöver immer wieder Häftlinge dabei waren, die ihr Schicksal ahnten – sie wurden in Zukunft schon zuvor ausselektiert und gesondert mit einem Kleinkalibergewehr erschossen, um eine Massenpanik zu vermeiden.

Um die Menschenmassen in die Gaskammern zu führen wurden Sonderkommandos zusammengestellt, bestehend wiederum aus den Gefangenen des Stammlagers. Sie sorgten für einen ruhigen Ablauf, vermieden Hektik und Geschrei und versuchten die Gefangenen so schonend wie möglich in die Gaskammern zu führen und dafür zu sorgen, dass sich diese freiwillig entkleideten. Verstieß ein Angehöriger des Sonderkommandos gegen diese Befehle, wurde er umgehend mit in die Gaskammer geschickt.

Dabei war die Arbeit der Sonderkommandos nur eine Lebensberechtigung auf Zeit. Die Sonderkommandos sollten immer wieder selbst getötet werden, um Zeugen der Massenvernichtung zu vermeiden. Man war sich aller Unmenschlichkeit bewusst, dass die dauernde seelische Überlastung der zu dieser Arbeit eingeteilten Häftlinge ein Risiko darstellte. Höß selbst äußerte sich zu den Sonderkommandos in seinen Erinnerungen:

"... Bei den nächsten Transporten wurde von vornherein nach den unruhigen Geistern gefahndet und diese nicht aus den Augen gelassen. Machte sich Unruhe bemerkbar, so wurden die Unruheverbreiter unauffällig hinter das Haus geführt und dort mit dem Kleinkalibergewehr getötet, das war von den anderen nicht zu vernehmen. Auch das Vorhandensein des Sonderkommandos und dessen beruhigendes Verhalten besänftigte die Unruhigen, die Ahnenden. Weiterhin wirkte beruhigend, daß einige vom Sonderkommando mit in die Räume hineingingen und bis zum letzten Moment darinblieben, ebenso blieb bis zuletzt ein SS-Mann unter der Türe stehen. Wichtig war vor allen Dingen, daß bei dem ganzen Vorgang des Ankommens und Entkleidens möglichst größte Ruhe herrschte. Nur kein Geschrei, kein Gehetze. Wenn sich einige nicht ausziehen wollten, mussten schon Ausgezogene helfen oder die vom Sonderkommando. Mit gutem Zureden wurden auch Widerspenstige besänftigt und ausgezogen. Die Häftlinge des Sonderkommandos sorgten auch dafür, daß der Vorgang des Entkleidens schnell vor sich ging, damit den Opfern nicht lange Zeit zum Überlegen blieb. Überhaupt war die eifrige Mithilfe der Sonderkommandos beim Entkleiden und Hineinführen in die Gaskammern doch eigenartig. Nie habe ich erlebt, habe auch nie davon gehört, daß sie den zu Vergasenden auch nur das Geringste von dem ihnen bevorstehenden sagten. Im Gegenteil, sie versuchten alles, um sie zu täuschen, vor allem die Ahnenden zu beruhigen. Wenn sie den SS-Männern nicht glaubten, aber den eigenen Rassegenossen (schon aus Gründen der Verständigung und auch der Beruhigung wurden die Sonderkommandos immer aus den Juden zusammengesetzt, die aus den Ländern stammten, aus denen die Aktionen gerade anliefen) glaubten sie zuversichtlich. Sie ließen sich von dem Leben im Lager erzählen und fragten zumeist nach dem Verbleib Bekannter oder Familienangehöriger aus früheren Transporten. Was die vom Sonderkommando denen alles vorlogen, mit welcher Überzeugungskraft, mit welchen Gebärden sie das Gesagte unterstrichen, war interessant. Viele Frauen versteckten ihre Säuglinge in den Kleiderhaufen. Die vom Sonderkommando passten da ganz besonders auf und redeten der Frau so lange zu, bis sie das Kind mitnahm. Die Frauen glaubten, daß die Desinfektion den Kindern nicht gut täte, daher das Verstecken..."

Bereits während der ersten Transporte, die Anfangs nicht stärker als 1.000 Häftlinge waren, wurde vom RFSS die Idee geboren, den getöteten die Goldzähne herauszureißen und dem Reich in Form von Barren zuzuführen. Frauenhaare wurden an eine Firma in Bayern für Rüstungszwecke geliefert. Wertsachen, Edelsteine, Gold, Geldscheine,… all das verursachte im Lager erhebliche Schwierigkeiten und wurde von eigenen Sonderkommandos verwaltet und ins Reich überstellt. Auch wenn höchste Strafen bis zur Todesstrafe für Diebstahl von jüdischen Wertsachen angedroht wurden, bereicherten sich viele SS-Männer an den beschlagnahmten Gütern.

Im Sommer 1942 machten sich die Massengräber der ersten Transporte unangenehm bemerkbar. Bestialischer Verwesungsgestank und Schwärme von Fliegen machten eine geordnete Weiterführung der Vergasungsaktionen undenkbar. Noch bevor die Krematorien gebaut wurden, mussten alle Massengräber wieder ausgehoben werden und gemeinsam mit den eben erst durch Gas getöteten Gefangenen in offenen Gruben verbrannt werden. Tag und Nacht brannte es in den Gruben, denn in den Massengräbern lagen bereits 107.000 Menschen, die in Auschwitz zu Tode gekommen waren.

Laut Befehl von Himmler mussten alle Transporte, die durch die Dienststelle Eichmann „organisiert“ wurden, ausnahmslos der „Sonderbehandlung“ zugeführt werden. Das RSHA hatte ein großes Interesse daran, so viele Juden wie nur möglich zu töten. Himmler wollte unbedingt eines Tages seinem Führer ein „judenfreies Reich“ melden können – dieses Ziel wurde mit größter Anstrengung verfolgt – Höß hatte seinen Teil dazu beizutragen – und er war ein gewissenhafter Helfer! Nach Erledigung eines Transportes hatte Höß die genauen Zahlen an Eichmann zu melden und danach jede schriftliche Aufzeichnung in Auschwitz zu vernichten. Im Lager selbst sollten keinerlei Beweise für die vorgenommene 'Endlösung' verbleiben.

Höß war dabei keineswegs ein gefühlskalter Täter - laut seinen eigenen Aussagen kam es bei den Vergasungen immer wieder zu erschütternden Erlebnissen, die ihm persönlich schwer zu schaffen machten. Von seinem eingeschlagenen Weg abbringen konnten sie ihn jedoch nicht.

Die Massenverbrennungen im Freien waren zusehends keine Lösung, da oftmals durch Schlechtwetter nicht genügend Leichen verbrannt werden konnten. Höß war klar, daß er eine andere Möglichkeit finden musste, die Leichen los zu werden – und zwar so, daß später einmal nicht mehr nachzuvollziehen sein sollte, wieviele Menschen wirklich in Auschwitz den Tod fanden. Mitte 1942 wurden sogar Versuche durchgeführt, die Leichen durch Sprengungen zu vernichten. Dieser Plan wurde allerdings schnell wieder verworfen, da eine restlose Beseitigung nicht zu erreichen war. Bald wurden gigantische Kadaververbrennungsanlagen geplant, die nach außen hin die Bezeichnung Krematorien erhielten.

Da es aufgrund der nicht genügend hohen Verbrennungskapazität immer wieder zu Stockungen bei der 'Abarbeitung' der Transporte kam, musste der Bau schnellstmöglich eingeleitet werden. Das Transportnetz der Deutschen Reichsbahn durfte durch die Endlösung nicht belastet werden, musste doch gleichzeitig kriegswichtiges Material an die Front transportiert werden. Darum wurde mit dem Bau der beiden ersten Krematorien im Winter 1942 / 1943 begonnen, denen bald zwei weitere folgten. Krematorium II und III (Krematorium I befand sich weiterhin im Stammlager und wurde zur Endlösung nicht benutzt) wiesen eine Kapazität von je 1.440 Leichen je Tag auf, die Krematorien IV und V je 768 Leichen. Die vollständige Kapazität wurde jedoch aufgrund der ungenügenden Ausbildung der Sonderkommandos selten erreicht, und so mussten auch weiterhin bei großen Transporten zusätzlich offene Verbrennungsgruben eingesetzt werden.



Himmler besucht Auschwitz.



Im Juli 1942 besuchte der Reichsführer SS ein weiteres Mal Auschwitz und war von der Arbeit des Kommandanten schwer beeindruckt. Wortwörtlich äußerte sich Himmler gegenüber Höß:

Ich habe mir nun Auschwitz gründlich angeschaut. Ich habe alles gesehen, habe alle Mißstände und Schwierigkeiten genügend begutachtet und von Euch gehört. Ändern kann ich daran auch nichts. Sehen Sie zu, wie Sie damit zu Rande kommen. Wir sind jetzt mitten im Krieg und müssen auch kriegsmäßig denken lernen.
Die von mir angeordneten sicherheitspolizeilichen Aktionen dürfen auf keinen Fall abgestoppt werden, am allerwenigsten durch den von mir vorgeführten Mangel an Unterkunft usw. Eichmanns Programm geht weiter und wird von Monat zu Monat gesteigert. Sehen Sie zu, daß Sie mit dem Ausbau von Birkenau vorwärtskommen.
Die Zigeuner sind der Vernichtung zuzuführen.
Ebenso rücksichtslos vernichten Sie die arbeitsunfähigen Juden.
In nächster Zeit werden die Arbeitslager bei den Rüstungsindustrien die ersten größeren Kontingente von arbeitsfähigen Juden aufnehmen, dann bekommen Sie auch wieder Luft.
Auch in Auschwitz soll die Rüstung im Lager ausgebaut werden, bereiten Sie sich dazu vor.
Kammler wird Sie baulicherseits weitestgehend unterstützen.
Die landwirtschaftlichen Versuche werden intensiv weiter vorwärtsgetrieben. Ich brauche die Ergebnisse notwendigst.
Ihre Arbeit und Leistung habe ich gesehen, ich bin zufrieden und danke Ihnen, ich befördere Sie zum Obersturmbannführer!


Zusätzlich besichtigt der Reichsführer SS das sogenannte Zigeunerlager. Im Zuge dieser Inspektion wurden auf seine Anweisung hin die Nahrungsrationen für die Kinder gestrichen. Alle Kinder sollten ab sofort unauffällig der Sonderbehandlung zugeführt werden. Bis 1944 kannte niemand außer Höß und dessen Lagerärzte diesen Mordbefehl an den internierten Kindern. Er hatte jedoch Probleme, diesen Befehl auszuführen, sein Pflichtbewusstsein jedoch war stärker. Die Essensrationen für Kinder wurden wie befohlen eingestellt und die gefangenen Kinder schrittweise ermordet. Hier spielten sich im Zigeunerlager immer wieder tumultartige Szenen ab, da die Sinti und Roma verzweifelt bemüht waren, ihre Kinder am Leben zu erhalten. Die Lebensbedingungen im Lager verschlechterten sich zusehends, Seuchen und Krankheiten krassierten. Von den ca. 20.750 Zigeunern, die in Birkenau registriert waren, haben ungefähr 4.000 die unmenschlichen Haftbedingungen überlebt, als im Sommer 1944 der Befehl zur Räumung des Lagers kam. Mit ihren schwachen Kräften setzten sich die überlebenden Sinti und Roma zu Wehr und mussten von der SS mit Waffengewalt zu den Gaskammern geführt werden.

Höß hatte zusätzlich die Aufgabe, die zahlreichen Rüstungsbetriebe am Standort des Konzentrationslagers Auschwitz mit genügend Zwangsarbeitern zu versorgen. Auch hier ging er rücksichtslos vor und zeigte kein Anzeichen von Schwäche. Da er nicht an der Front dienen konnte, musste er wenigstens da, wo er stand, alles tun, um den 'Endsieg' zu gewährleisten. Unerschütterlich in diesem Glauben wollte Höß bis zur Selbstaufgabe alles einsetzen, kannte keine Skrupel, wähnte, dass alles was er leistete zum Wohle des Deutschen Volkes geschah.

Dabei beobachtete Höß immer wieder die ankommenden Judentransporte von der Rampe bis zu den Gaskammern. Immer wieder kämpfte er laut eigenen Angaben mit dem Erlebten. Und doch hinderte es ihn nicht daran, in die laufende Selektion einzugreifen, wenn seiner Meinung nach zu wenige in das Gas geschickt wurden. Auschwitz musste funktionieren, musste seine Zahlen erreichen. Auch kam es immer wieder zu Tumulten, wenn die Ankömmlinge ahnten, was mit ihnen gesehen sollte. Höß baute dazu ein kompliziertes System der Tarnung auf. Um die Menschen solange wie möglich in falscher Sicherheit zu wiegen wurden die Gaskammern als Duschen gekennzeichnet, hatten die Häftlinge des Sonderkommandos die Todgeweihten zu beruhigen.

Höß legte dabei Wert darauf, dass alles so ruhig, schnell und geräuschlos wie möglich ablief. Sollten unter den Ankömmlingen Personen sein, die ahnten was auf sie zukam und andere aufwiegeln konnten, ließ er sie auf die Seite schaffen und mit Hilfe eines Kleinkalibergewehrs erschießen. Die Sonderkommandos hatten die zum Tode selektierten freundlich zu begrüßen und für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Dabei kam es nicht selten vor, dass ein Häftling im eintreffenden Transport Verwandte oder Bekannte sah. Sollte er sich jedoch dazu hinreißen lassen, irgendetwas von dem was wirklich geschah anzudeuten, wurde er sofort hingerichtet. Die Tötungsmaschinerie durfte nicht aufgehalten werden, musste wie ein Uhrwerk reibungslos funktionieren.

Eines Tages drehte sich trotz allem eine Mutter von 4 Kindern, nachdem sie ihre Kinder in die Gaskammer begleitet hatte, nochmals um und sagte leise zu Höß, der an der Türe stand: „Wie bringt ihr das bloß fertig? Habt ihr denn kein Herz im Leibe?“ Ein alter Mann zischelte Höß beim Vorbeigehen zu: „Diesen Massenmord an den Juden wird Deutschland schwer büßen müssen!“ Höß vernahm diese letzten Botschaften von Juden, die in den Tod gingen, äußerlich ohne jede Gefühlsregung, jedoch machte er sich später immer wieder Gedanken.

Er überlegte jedoch nicht, ob es richtig war, so viele Menschen zu töten, sondern dachte stetig über Verbesserungen nach, wie er noch mehr Leistung herausholen könnte. Höß war Perfektionist, wollte die größtmögliche Auslastung der Krematorien aufrecht erhalten. Er wollte aus eigenem Antrieb immer beeindruckendere Zahlen nach Berlin melden. Postwendend kamen hingegen immer höhere Anforderungen von Eichmann retour. Dabei hatte der Kommandant von Auschwitz immer wieder dafür zu sorgen, dass die ohnehin schon überlasteten Bahnverbindungen nicht noch durch wartende Züge weiter blockiert wurden. Die Transporte mussten so schnell wie möglich „abgearbeitet“ werden, die Juden so effizient wie nur irgend möglich der Sonderbehandlung zugeführt werden.

Höß gibt in seinen Erinnerungen an, dass er diese Aufgabe nicht ohne weiteres erfüllen konnte. Er hatte mit dem Erlebten genauso zu kämpfen wie viele andere SS-Männer der Wachmannschaften, oder die Gefangenen, die zu den Sonderkommandos eingeteilt waren. Sein ihm anerzogenes Pflichtbewusstsein gegenüber dem deutschen Volk und dessen Führer Adolf Hitler jedoch ließ ihn jeden Befehl so gut und gewissenhaft ausführen, wie er nur vermochte. Jegliches Leid, das den in seinen Augen minderwertigen Juden, Polen oder Russen widerfuhr, hatte da hintanzustehen.

Höß sah wohl, dass viele 'Rädchen' in seiner Todesfabrik unter den psychischen Belastungen zu leiden begannen, doch je öfter er dies bemerkte, desto härter wurde er. Härter zu sich selbst und härter zu seinen Männern. Schließlich hatte die SS diese vom Führer zugewiesene Aufgabe zu erfüllen, ein Kommandant durfte hier am allerwenigsten Zweifel zeigen und musste mit „gutem Beispiel“ vorangehen. Dabei musste Höß, der ja selbst Brutalität und überzogene Gewalt verabscheute, sich immer wieder dazu zwingen, alles mit anzusehen, gerade er als Kommandant durfte sich nicht abwenden, wenn Kinder spielend vorbei geführt wurden oder wenn sich Menschen gegenseitig trösteten und weinend die als Duschräume gekennzeichneten Gaskammern betraten. Die flehenden Blicke der Mütter nahm er sehr wohl wahr und doch konnte ihn nichts von der Erfüllung dessen abhalten, was er als seine Pflicht sah.

Höß war klar, dass niemand diese „Arbeit“ auf Dauer verrichten konnte, ohne seelischen Schaden dabei zu nehmen. Er selbst fühlte sich seit Beginn der Judenvernichtung laut eigener Aussage nicht mehr 'glücklich'. Immer wieder kamen ihn seine eigene Frau und seine Kinder vor Augen, wenn er vor brennenden Leichenbergen stand oder zusah, wie tausende Menschen in den Tod geschickt wurden. Er war sich bewusst, dass Unrecht geschah. Dagegen aufbegehren konnte er nicht. Dabei wurde Höß immer bedrückter, je mehr sich abzeichnete, daß der Krieg nicht mehr gewonnen werden konnte. Verbissen setzte er seine letzten Kräfte ein, um die ihm gestellte Aufgabe dennoch zu erledigen. Ganz als ob er damit das drohende Unheil abwenden könne.

Trotz der Vernichtung tausender Juden wuchs die Zahl der Häftlinge in Auschwitz stetig an. Im Herbst 1943 befanden sich 140.000 Gefangene in den Lagern, die den Gesamtkomplex bildeten. Auschwitz hatte die Grenzen seiner Kapazität erreicht. Trotz aller "Erfolge", die das Lager im Vernichtungsprogramm des Dritten Reiches aufzuweisen hatte, kamen jetzt jedoch auch immer mehr die Schattenseiten des Ganzen heraus. Im Sommer 1943 kam es zu Vorwürfen der Korruption gegen mehrere Soldaten der Wachmannschaft, die zu rigorosen Untersuchungen führten. Dabei kam heraus, dass auch Höß nicht von allen Zweifeln frei war. Die Disziplin unter den SS-Männern war katastrophal, Alkoholexzesse an der Tagesordnung. Höß sprach selbst dem Alkohol verstärkt zu, soll sich Vorteile verschafft haben. Als auch noch das Gerücht über ein Verhältnis aufkam, war Höß als Kommandant von Auschwitz nicht länger tragbar.


Amtschef D I in Berlin



SS-Obersturmbannführer Rudolf Höß (1900-1947), Datum etwa 1943



Oswald Pohl plante daher die Teilung des Lagers und stellte Höß daher vor die Wahl, Kommandant in Sachsenhausen zu werden, oder an den Schreibtisch zu wechseln als Amtschef D I. (Politische Abteilung der Inspektion der Konzentrationslager im Wirtschaftsverwaltungs Hauptamt WVHA der SS). Höß entschied sich im Dezember 1943, nach 24 stündiger Bedenkzeit für die Stelle als Amtschef D I, und so wurde Auschwitz nach Höß´ Abgang auf drei Lager aufgeteilt.

Höß stürzte sich mit aller Energie in seine neue Aufgabe. Sein ehemaliger Intimfeind Glücks ließ ihm freie Hand, weil Pohl es so wollte. Höß wollte die Position des Amtchefs D I völlig neu definieren und den Lagerkommandanten die Unterstützung zu Teil werden lassen, die er selbst in seiner Funktion als KZ-Kommandant nie erfuhr. Von nun an war Höß viel unterwegs, er bereiste so viele Lager wie möglich persönlich, um sich ein Gesamtbild der KZs machen zu können. Die persönlichen Erfahrungen bei den Besichtigungen inkl. die Übersicht über den Schriftverkehr der Lager mit dem WVHA verschafften Höß einen einmaligen Überblick über alle Konzentrationslager. Er wusste von nun an wie kein anderer, wo es Probleme gab, wo Schwachstellen waren, welches Lager gut geführt wurde und auch wo besonders viele Tötungen stattfanden.

Zu Beginn 1944 stieg der Druck des Reichsführers, so viele arbeitsfähige Juden wie möglich den Rüstungsbetrieben zuzuführen. Zehntausende wurden zur Schwerstarbeit abgestellt und überlebten diese oft nur wenige Tage. Die Verpflegungssituation der Zwangsarbeiter war oftmals katastrophal, und so nutzten die Qualen der Gefangenen niemanden, sie hatten keine Chance. In Wirklichkeit töteten diese Befehle beinahe ebenso viele Menschen wie die Vernichtungsmaschinerie im Auschwitz.

Höß begann nun erste Fehler am System zu erkennen. Seiner Meinung nach war die Verhaftung der Regimegegner zu Beginn des Krieges ein Fehler. Laut Höß konnten die Gegner so nicht verringert werden, sondern mehrten sich nur noch, was dazu führte, dass es an allen Ecken und Enden an Arbeitskräften oder Soldaten mangelte. Nun konnte Höß sich auch persönlich davon überzeugen, was aus seinen schriftlichen Anträgen und Anfragen zu Besserung der Zustände in Auschwitz geschehen ist – sie waren allesamt einfach zu den Akten gelegt worden. Der Reichsführer SS hatte keinerlei Interesse, die Bedingungen der Gefangenen in Auschwitz zu verbessern – die Polen und vor allem die polnischen Juden waren ihm völlig egal. Ganz im Gegenteil, die Zustände konnten gar nicht schlecht genug sein, so würde sich die Judenfrage ganz von selbst lösen, so der RFSS. Höß begriff, dass das RSHA (Reichs-Sicherheits-Hauptamt) mit aller Macht ein stetiges Steigen der Todesziffern forcierte, niemand sollte die Lager überleben, alle Juden mussten sterben, egal wie.

Die treibende Kraft im RSHA war Eichmann und sein Vertreter SS-Sturmbannführer Hans Günther, hier hatte Höß keine Chance auch nur irgendeine kleine Verbesserung der Zustände in den KZs zu erreichen. Höß, der Anfangs in den Lagern ein Mittel gesehen hatte, politische Gegner umzuerziehen und in die Welt des Nationalsozialismus einzugliedern, erkannte, dass von Anfang an andere Ziele verfolgt worden waren, nämlich das gnadenlose Ausmerzen all dessen, was die NS-Weltanschauung als minderwertig deklarierte. Dabei scheute man sich nicht, das Letzte aus den geschundenen Insassen herauszuholen, sie bis zum letzten Atemzug als Sklaven auszubeuten.

Höß hatte nun auch die Aufgabe als Vorgesetzter der Lagerkommandanten, diese zu ernennen oder auszutauschen, sollten sie nicht geeignet sein. Höß kümmerte sich als erstes um das Lager Bergen-Belsen. Der dortige Kommandant, Sturmbannführer Haas, wurde zum einen wegen Frauengeschichten, zum anderen wegen Vernachlässigung seiner Pflichten im Lager von Höß abberufen. An sich war der Zustand des Lagers noch einer der Besten, da Bergen-Belsen „privilegierten Juden“ vorbehalten war. So befanden sich zu verschiedenen Zeiten annähernd 14.700 "Austauschjuden" im Lager, die der Reichsführer SS bei Verhandlungen mit den Alliierten einzusetzen gedachte. Der Stand von 15.000 Häftlingen wurde nie überschritten, und so konnte man vergleichsweise noch gut überleben. Erst als Ende 1944 die Lager im Osten evakuiert werden mussten, stieg die Zahl der Häftlinge sprunghaft auf mehr als 50.000 an, und so wurde Bergen-Belsen letztlich doch noch zu einem grauenhaften Elendslager mit einer Sterberate von 250-300 Menschen pro Tag. (!)

Aufgrund der vermehrten Bombardements in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 stieg die Todesrate unter den Zwangsarbeitern weiter an, da die Alliierten nun dazu übergingen, deutsche Rüstungsbetriebe in Schutt und Asche zu legen. Dabei verwischte die Not oftmals Grenzen zwischen Tätern und Opfern. So konnte Höß bei einem der Luftangriffe sogar beobachten, wie sich Häftlinge um verletzte SS-Männer kümmerten und gemeinsam mit diesen während des Bombardements in Erdlöchern ausharrten. Bei seinen Reisen überlebte Höß selbst unzählige Bombardements und Tieffliegerangriffe in Hamburg, Dresden, Berlin und Wien.

Viele Rüstungsbetriebe wurden von Höß aufgrund der dort tätigen Zwangsarbeiter besucht. Höß erlangte dadurch ein wenig Einblick in die deutsche Kriegsrüstung. Was er dort sah, was er erzählt bekam, erweckte in ihm erste Zweifel. Er hörte von Fehlplanungen, die nicht mehr umkehrbar waren, von zu wenig Ausstoß aus den Fabriken, von Betrieben, die nicht mehr die vollen Kapazitäten zur Verfügung hatten. Er hörte von Erfindungen, von modernsten Waffen, die jedoch aufgrund der geringen Zahl oder mangelnder Rohstoffe keine Verbesserung an der Front erreichten. Höß verlor den Glauben an die Vergeltungswaffen, er verlor letztlich den Glauben daran, daß der Krieg noch gewonnen werden konnte. Dabei geriet er in einen inneren Zwiespalt, da sein streng nationalsozialistischer Glaube ihm gebot, weiter an den Endsieg zu glauben. Verzweifelt klammerte er sich an die Versprechungen der Propaganda, den Äußerungen Hitlers und Goebbels.



Josef Kramer, Josef Mengele, Rudolf Höss, Karl Friedrich Höcker



Dann hatte der Reichsführer SS eine besondere Aufgabe für ihn. Da sich Höß trotz allem bei der Durchführung der 'Endlösung' in Auschwitz ausgezeichnet hatte, wurde er von Himmler an seine alte Wirkungsstätte zurückbeordert. Als Standortkommandant von Auschwitz überwachte Höß vom März bis Juli 1944 den makaberen Höhepunkt der Todesfabrik – die Deportation und Vernichtung der 400.000 ungarischen Juden. Wieder zeichnete er sich aus, in dem er aus der 'Fabrik' Auschwitz das Letzte herausholte, nahm planmäßig die Transporte entgegen und sorgte dafür, dass die eintreffenden Menschen der 'Sonderbehandlung' zugeführt wurden. Die Sonderkommandos arbeiteten in drei Schichten, die Krematorien glühten Tag und Nacht. Trotzdem musste Höß zusätzliche offene Verbrennungsgruben einsetzen, um die ungeheure Anzahl der Leichen zu entsorgen.

Als sich das Kriegsende immer mehr abzeichnete, befahl der Reichsführer SS, sämtliche Konzentrations- und Vernichtungslager in Frontnähe zu räumen und die Insassen in den gefürchteten "Todesmärschen" zurück auf das Reichsgebiet zu bringen. Kein Häftling eines Lagers sollte den anrückenden alliierten Truppen lebend in die Hände fallen. Wiederum verließ sich Himmler dabei auf das Organisationstalent des Rudolf Höß und befahl ihm, diese Räumungen zu koordinieren. Schockiert nahm Höß die schlechten Zustände auf den teilweise kilometerlangen Märschen der ausgemergelten Gefangenen zur Kenntnis. Laut seiner eigenen Aussage versuchte er, die Bedingungen der Häftlinge während dieser Verlegungen zu verbessern, doch fehlten dazu einfach die Mittel, und so wurden die langen Kolonnen von Toten und Sterbenden in den Straßengräben begleitet. Tausende starben an den körperlichen Anstrengungen aufgrund völliger Entkräftung und mangelnder Versorgung.

Die begleitenden Wachmannschaften nahmen keinerlei Rücksicht auf die Gefangenen und trieben sie immer weiter. Diejenigen, die zusammenbrachen und noch lebten, wurden an Ort und Stelle erschossen. Wenn sie dann ein anderes Lager erreichten, herrschte dort qualvolle Enge und Überfüllung, die zu grauenhaften Zuständen und unglaublichen Opferzahlen führten. Cholera, Typhus und andere Krankheiten grassierten unter den Häftlingen. Dabei war es nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses Lager vor den heranrückenden Truppen der Roten Armee geräumt werden musste. Höß bekam teilweise die russischen Panzerspitzen bei seinen Fahrten zu sehen und geriet selbst in Gefahr, noch in den letzten Kriegsmonaten getötet zu werden. In seinen Erinnerungen wird er sich später gerade diesen Umstand herbeiwünschen.

Eines Tages, Höß war eben auf dem Weg von einem geräumten Lager in Frontnähe zurück nach Auschwitz, sah er tote Juden an der Straße liegen. Sie waren scheinbar erst vor kurzem erschossen worden, da die Leichen noch bluteten. In der Nähe konnte er Pistolenschüsse hören, also folgte er dem Krach. Nahe der Straße sah er einen Feldwebel der Luftwaffe, wie er gerade einen Häftling erschossen hatte, der an einen Baum angelehnt stand. Höß stürzte zu dem Soldaten hin und blaffte ihn an, warum er denn hier einfach auf Häftlinge schießen würde und wer ihm das befohlen hatte. Der Feldwebel erwiderte nur kurz, daß er (Höß) ihm gar nichts zu sagen hätte, worauf Höß seine Pistole zog und den Soldaten einfach über Haufen schoss.

Manchmal konnte das Rote Kreuz eingreifen um den Häftlingen auf ihren Todesmärschen wenigstens ein geringes Maß an Hilfe zukommen zu lassen. Die SS-Männer, die diese Verlegungen begleiteten, hatten selbst nur das Nötigste dabei, kümmerten sich in erster Linie um sich selbst. Für die Gefangenen wurde nichts organisiert, sie blieben sich selbst überlassen. Die Todeszahlen auf den Märschen erreichte schwindelnde Höhen. Höß, der diesen Märschen immer wieder folgte, sah das unsägliche Leid der geschundenen Gestalten, die mit letzter Kraft vorwärts wankten. Mehrmals protestierte er gegen diese Räumungen und trat dafür ein, daß die Gefangenen in den Lagern, die in Frontnähe gerieten, einfach sich selbst überlassen werden sollten – dies wurde vom Reichsführer SS jedes Mal sofort kategorisch abgelehnt. Es sollte keine lebenden Zeugen geben, keiner der 'Feinde' und 'Gegner' des Regimes sollte dessen Untergang überleben.


Untergang und Flucht



Kurz vor Ende des Krieges bereitete Höß seine Flucht vor. Damit war er nicht alleine, auch der Reichsführer SS hatte nicht vor, wie sein Führer in Berlin unterzugehen. Himmler überlies seine Getreuen ihrem Schicksal und flüchtete selbst – jedoch nicht ohne in bester Laune einen letzten Befehl seinen SS-Führern mit auf den Weg zu geben: „Taucht unter in der Wehrmacht!“ Diese letzte Meldung, diese letzte Befehlsausgabe, erzeugte in Höß tiefe Bitterkeit und sollte ihn in den wenigen Jahren, die ihm noch verblieben, nicht mehr aus dem Kopf gehen. Er hatte erwartet, dass nochmals ein Durchhalte-Befehl kommen würde, ein letztes Aufbäumen, ein letzter Kampf. In seinem Kopf hallten noch die Worte der Propaganda nach, die immer wieder beschworene Treue der Nibelungen, die kämpfend untergingen. Doch statt dessen hörte er aus dem Mund seines Reichsführers SS diesen feigen Fluchtbefehl. An diesem Tag verlor er letztendlich seinen Glauben an das Regime und die Ideologie, der er jahrelang gefolgt war.

So tauchte Höß nach Kriegsende unter dem Namen Franz Lang als Bootsmann in der Marine-Schule in Mürwik unter. Da auch hier kaum mehr Dienst versehen wurde, hatte er viel Zeit, über die letzten Jahre nachzudenken. Er fiel auch nicht auf, da er sich durch seine Erfahrung am Ende des 1. Weltkrieges bei der Marine auskannte. Kurze Zeit darauf wurde er mit den restlichen Angehörigen der Marine-Schule von den Briten im Bereitstellungsraum zwischen Nord-Ostsee-Kanal und Schlei inhaftiert. Da seine Familie nun ganz in der Nähe wohnte, bekam er immer wieder mal Besuch seines ältesten Sohnes.



Der Spielfilm "Aus einem deutschen Leben" orientiert sich an den autobiographischen Aufzeichnungen die Rudolf Höß,
in britischer und polnischer Haft im Jahr 1946 / 1947 geschrieben hatte



Höß´ Identität als Franz Lang wurde nicht in Frage gestellt, und so wurde er schon nach kurzer Zeit aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Bei der Inhaftierung hatte er den Beruf eines Landwirts angegeben und konnte nun auf einem Bauernhof nahe Flensburg als Knecht arbeiten. Er war sich dabei bewusst, dass der Name Rudolf Höß früher oder später bei den Alliierten bekannt werden musste und die einzige Chance für ihn darin bestand, unterzutauchen.

Die Arbeit eines Landwirts war immer schon sein Traum gewesen und so verbrachte Höß, wie er selbst in seinen Aufzeichnungen angibt, eine schöne und unbeschwerte Zeit.

Wie er richtig vermutete, war er zu einem der meist gesuchten Männer geworden. Überall suchte man nach dem Manne, der als Kommandant von Auschwitz traurige Berühmtheit erlangt hatte. Sein Name wurde gleichgesetzt mit dem Massenmord an Millionen. Die britische Militärpolizei stieß auf die Familie von Höß und verhaftete dessen Frau und Sohn, hoffte von ihnen den Aufenthaltsort von Rudolf Höß zu erfahren. Doch sagte seine Frau bei den unzähligen Vernehmungen immer wieder aus, dass ihr Mann in den letzten Kriegstagen gefallen sei. Nach fünf Tagen griffen die Briten zu einer List und drohten Hedwig Höß, dass sie ihren Sohn den Russen ausliefern würden. Im Glauben, ihren Sohn zu retten, brach die Ehefrau zusammen und gestand, wo ihr Mann sich aufhielt.


Verhaftung



Am 11. März 1946 um 23 Uhr stürmte die britische Polizei den Bauernhof und nahm den ehemaligen Kommandanten von Auschwitz fest. Dieser behauptete jedoch nach wie vor, dass sein Name Franz Lang sei. Viele der Soldaten waren Zeuge der Befreiung des Lagers Bergen-Belsen geworden und kannten kein Mitleid. Stundenlang wurde Höß köperlich schwer misshandelt, bis er seine Identität zugab. Seit Anfang 1945 hatte er immer eine Giftphiole bei sich getragen. Wenige Tage vor seiner Verhaftung war diese jedoch zerbrochen. Es gab für ihn keinen Fluchtweg mehr, die Soldaten verbrachten ihn zu weiteren Vernehmungen in eine Kaserne bei Heide.

Die Bewacher von Rudolf Höß hatten keinerlei Mitleid mit ihm. Er gab an, während der Verhöre mehrfach physisch und psychisch misshandelt worden zu sein. Man setzte ihn angeblich unter Alkohol und setzte auch Schlafentzug ein. Die Protokolle, die dabei entstanden, waren ein Zeugnis des Schreckens, konnten von den Verhöroffizieren kaum geglaubt werden. Höß, ein gebrochener Mann, unterschrieb sie jedoch anstandslos. Allerdings würde er sie auch später in seinen selbst niedergeschriebenen Erinnerungen nicht widerrufen, sondern nur berichtigen. Er wird angeben, dass die in den Protokollen genannten Zahlen zu hoch gewesen waren und korrigierte sie nach unten.

Dann wurde Rudolf Höß zu seinem eigenen Erstaunen als Entlastungszeuge nach Nürnberg gerufen, um für Ernst Kaltenbrunner auszusagen. Er wunderte sich selbst, wie gerade er, der doch alle Schrecken selbst gesehen hatte, Kaltenbrunner entlasten hätte können. Höß stand zu den in den Protokollen niedergelegten Tatsachen, beschrieb jedoch in seiner Aussage auch, dass er bei der Vernehmung misshandelt worden wäre. Laut seiner Aussage wären die Offiziere allesamt Juden gewesen und hätten ihn mit großem Hass verfolgt.


Kriegsverbrecherprozess in Krakau - der letzte Akt



Rudolf Höß beim Gerichtsprozess in Polen



Am 30. Juli 1946 wurde er schließlich mit 7 anderen Gefangenen, darunter Amon Göth, nach Krakau verlegt. Ihm sollte in Polen der Prozess gemacht werden. Während er auf seinen Prozess wartete, begann er seine schriftlichen Aufzeichnungen niederzulegen, die er mit "Kommandant in Auschwitz" betitelte.

In seinen Erinnerungen befindet sich kein Wort der Reue über die von ihm begangenen Taten. Er gab auch zu diesem Zeitpunkt weiterhin an, immer noch ein Nationalsozialist zu sein und diese Idee, diese Ideologie 25 Jahre lang verfolgt, ja gelebt zu haben. Er konnte seinen festen Glauben an diese Idee nicht innerhalb weniger Tage abstellen. Er hielt zwar mittlerweile die Führer des Reiches für Verbrecher, sah jedoch die dahinter stehende Idee des Nationalsozialismus immer noch als gut und richtig an. Für ihn waren Konzentrationslager nach wie vor eine wichtige und richtige Institution, für ihn waren sie notwendig zur „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“, um den Staat und das Volk von schädlichen, asozialen Feinden zu schützen. Diese Staatsfeinde müssten lokalisiert und in Lagern "umerzogen" werden.

Obwohl er die Endlösung der Judenfrage als direkten, persönlichen Befehl von Himmler erhalten hatte, hätte Höß nach Möglichkeit nicht alle Gefangenen des Lagers getötet. Allerdings hätte er auch nicht das Recht gehabt, die erhaltenen Befehle zu hinterfragen oder gar zu missachten. Er hielt sich und die ausführenden Ämter wie das RSHA nur für Organe, die den Willen des Reichsführers SS oder Hitlers auszuführen, zu befolgen hatten. Laut Höß konnten sie keine Schuld an den Massenmorden tragen, da sie alle auf höheren Befehl handelten. Trotzdem übernahm Höß für alle Vorgänge in und um Auschwitz die volle Verantwortung. Laut seinen Worten war der Kommandant des Lagers für alles verantwortlich, auch wenn es sich um Dinge handelte, die er nicht selbst befohlen hatte oder die ihm nicht gemeldet wurden.

Das Einzige was er wirklich bedauerte war, dass er nicht genügend Zeit mit seiner Familie verbracht hatte. In seinen Zeilen findet er kein Wort des Bedauerns für die Opfer. Nur über sich selbst schrieb er:

„Wie beneide ich meine Kameraden, die einen ehrlichen Soldatentod sterben durften. Ich war unbewusst ein Rad in der großen Vernichtungsmaschine des Dritten Reiches geworden. Die Maschine ist zerschlagen, der Motor untergegangen und ich muss mit. Die Welt verlangt es.“

Während des Prozesses, wie auch davor bei den vielen Verhören und Befragungen, war Höß dabei stets hilfsbereit und bemüht gewesen, alle Angaben so genau wie möglich zu verfassen. Er machte auch kein Geheimnis aus den Opferzahlen. Ebenfalls beschrieb er genauestens, wie die Tötungsmaschinerie in Auschwitz lief, wer sie befohlen hatte und wer die Transporte organisierte. Bis zuletzt war er der harte SS-Führer, der keinerlei Gefühlsregung zeigte.

Am 2. April 1947 wurde Rudolf Höß vom Obersten Polnischen Volksgericht in Warschau zum Tode verurteilt.

Vor seinem früheren Wohnhaus auf dem Lagergelände in Auschwitz, indem er mit seiner Familie während seiner Zeit als Kommandant lebte, wurde Höß am 16. April 1947 gehängt.



Rudolf Höß, kurz bevor er für seine Verbrechen in Auschwitz hingerichtet wurde






Autor von Mackensen