Beitrag So 15. Dez 2019, 12:55

Besichtigung des Schlachtfeldes von Vauquois

Bildgeschichte: Besichtigung des Schlachtfeldes bei Vauquois



Ich selber war einmal in Verdun, im Fort Douaumont, am Fort Vaux, im Gebeinhaus von Verdun und auf dem Hügel von Vauquois.


Geografische Lage


Hügelregion Vauquois, 35 km nordwestlich von Verdun.


Das war so beeindruckend, erschreckend und irgendwie unfassbar was man dort sehen konnte. Die Vorstellung wie es damals war, kann man sich nicht machen, selbst wenn man dort gewesen ist.
Deshalb möchte ich versuchen, Euch hier die "Schlacht um den Hügel von Vauqouis" etwas näher zu bringen. Ausgesprochen wird es übrigens so: Wokoa.... sieht komisch aus.


Der Kampf um Vauquois

Der Kampf um Vauquois gehört zu einer Schlacht der vielen Kämpfe um die berühmt berüchtigte Schlacht um Verdun.
Vauquois war ein kleines beschauliches Dorf auf einem Hügel, 35 km nordwestlich von Verdun und am Ostrand der Argonnen. Hier entbrannten 4 Jahre lang harte und erbitterte Kämpfe über- und unterhalb des Hügels. Diese 4 Jahre veränderten das Aussehen des Hügels und Dorfes so sehr, dass kein Einwohner von damals die Gegend nach dem Krieg wiedererkennen konnte. In Vauqois wurde der „Minenkrieg“ geboren und hierbei musste der Hügel in 52 Kriegsmonaten über 500 unterirdische Sprengungen miterleben.


Vauquois vor dem Krieg, eine Schautafel am Berg.


Als die deutschen Truppen am 3. September 1914 am Fuß des Hügels ankommen, werden alle 168 Einwohner evakuiert und der Kampf um Vauquois beginnt. Der Hügel scheint auf den ersten Blick nicht von sehr hoher strategischer Bedeutung, dennoch wollen die kommandierenden Offiziere den Hügel besetzen, um die Artillerie gezielter führen zu können. Da die eigenen Nachschublinien von den Franzosen sehr gut und zielgenau beschossen wurden, vermutete man auf dem Hügel eine gute Sicht nach Westen ins eigene Hinterland. Am 24. September begann der Sturm auf den Hügel mit einem deutschen Artillerieschlag. Hierbei wurden die ersten Häuser stark beschädigt und viele Franzosen zogen sich in die Keller zurück. Dann begann der Sturm der Infanterie und der Hügel konnte nach drei Tagen besetzt werden.

Auf dem Hügel trauten die deutschen Truppen ihren Augen nicht. Trotz der relativ geringen Höhe konnten die Deutschen ihre eigenen Nachschublinien nach Westen hin perfekt eingeblickt werden. Mit diesem Zeitpunkt wurde der Hügel zu einer sehr wichtigen und strategischen Position für beide Seiten, die es zu halten galt. Nach Osten, zu den französischen Linien hin war die Sicht ebenfalls so perfekt, dass die deutschen Truppen bis hin zum Argonnerwald blicken und dort ihre Artillerie gezielter einsetzen konnten. Die harten Kämpfe um Vauqois hatten begonnen.


Der Blick nach Westen zu den Argonnen.


Die deutschen Truppen konnten den Hügel und das Dorf bis zum März 1915 halten und befestigen. Die Pioniere des 1./ Pionierbatallion 30 aus Koblenz begannen ab Anfang Januar mit der Befestigung des Kampfabschnittes „Vauqois“. Sämtliche Einheiten auf dem Hügel wurden regelmäßig ausgewechselt, nur die Pioniere der 1. Kompanie blieben bis Ende April auf dem Hügel und kannten diesen und die späteren Tunnelanlagen in- und auswendig.

Auch die Franzosen wusste um die Wichtigkeit und strategisch perfekte Lage des Ortes und des Hügels und versuchten auf dem Hügel Fuß zu fassen. Drei erfolglose Angriffe mit Bajonett führten die Franzosen aus und konnten dabei immer nur sehr geringe Geländegewinne erzielen. Erst mit dem vierten Angriff gelang es ihnen am 1. März 1915 oben Fuß zu fassen. Dabei wurde der Hügel mit Artillerie beschossen, was zur Erschöpfung der deutschen Verteidiger führte. Die Angriffe vom 28. Februar – 4. März 1915 kostete den Franzosen über 3.000 Soldaten. Das Dorf existierte zu dieser Zeit noch, wenn auch schon sehr stark beschädigt. Die Deutschen versuchten die Franzosen wieder vom Hügel zu treiben und führten am 05. Und 15. März Gegenangriffe durch, jedoch konnten die Franzosen ihre Position halten und verstärken. Dadurch hielten die Franzosen den Südteil des Hügels und die Deutschen den Nordteil. Der Stellungskrieg war nun auch in Vauquois angekommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Entfernung zwischen den Frontlinien nicht mehr als 15 m weit. Die Deutschen mussten jedoch irgendwie Truppen schnell verfügbar haben, jedoch war auf dem Hügel nicht genug Platz dafür und die Soldaten von unten nach oben zu bringen war nicht als sinnvoll zu betrachten, da sie lange gebraucht hätten und wenn sie denn oben waren, wären sie völlig fertig gewesen. Deshalb begannen die Pioniere unterirdische Kasernenanlagen und Tunnel zu graben. Allerdings nicht wie heutzutage mit Bohrer und schweren Maschinen, sie trieben die Gänge, Stollen und Wohnquartiere mit der Hand in den Berg. Die Franzosen sahen eine ähnliche Notwendigkeit und taten das gleiche, allerdings nicht ansatzweise so groß wie die deutschen Truppen.


Der ehemalige Abstand der Frontlinien, rechts die deutsche, links die französische.


Nachdem sich beide Seiten auf dem Hügel eingegraben und festgebissen haben, war überirdisch kein Vorkommen mehr. Jetzt begann man Versuche, den Feind von unten bei zu kommen. Man trieb Tunnel unter die ersten feindlichen Stellungen und wollte diese dann in die Luft sprengen, der Minenkrieg begann. Da dies beide Seiten taten, legte auch beide Seiten Abwehrstollen an. Das heißt, man grub unterhalb oder seitlich des feindlichen Stollens einen eigenen und sprengte diesen dann, damit der feindliche abgequetscht wurde und somit die wochenlange Arbeit umsonst war. Um jetzt herauszufinden wo der Feind grub, setzte man Horchposten ein. Diese saßen stundenlang in einem einsamen Tunnel mit einem Horchgerät am Ohr und an der Wand und versuchten, Grabgeräusche aus zu machen. Eine ermüdende, anstrengende aber auch wichtige Arbeit zur damaligen Zeit. Denn bei diesen Abwehrstollen musste es schnell gehen, wenn es war ein Wettlauf. Denn niemand wusste was der Feind für einen Stollen grub oder ob man selber bald durch einen Abwehrstollen gesprengt wurde.


Ein Stollen im inneren des Hügels.


Die Minenarbeiten wurden in drei Schichten zu 6 Stunden durchgeführt. Typischerweise waren 11 Mann in einer Schicht, 2 gruben, 2 füllten den Schutt um und 7 Mann trugen den Schutt raus. Keiner der Minenpioniere hatte im Graben etwas zu suchen und so kehrten sie nach der Schicht nach Varennes zurück, wo sich ihr Lager befand. Auch wenn es sich hart und schwer anhört, unter Tage hatten die Soldaten ein besseres Leben als in den Gräben. Stille, da die Artillerieschläge nicht nach unten zu hören waren und wenn, dann nur sehr dumpf. Die Temperatur war durchgehend gleich, im Sommer angenehm kühl, im Winter relativ warm. Dennoch war das Graben für die Mineure eine physisch und psychisch extrem starke Belastung. Während man in den normalen Stollen aufrecht gehen und arbeiten konnte, mussten sie in Angriffsstollen oftmals gebückt gehen, graben oder den Schutt raustragen. Eine Tagesleistung war damals zwischen 70 und 100 cm
Für die Soldaten an der ebenerdigen Front war das Leben kein Zuckerschlecken. Nach mehreren erfolgreichen Sprengungen untertage unter der 1. Frontgrabenlinie auf beiden Seiten, hatte die Soldaten ständig Angst und Gedanken, dass sie demnächst gesprengt werden könnten. Gerade zu Beginn der Schlacht war die Angst ein ständiger Begleiter, da die Horchgeräte und Abwehrstollen noch nicht so sehr entwickelt waren. Durch diese Sprengungen wurde nach und nach das komplette Dorf zerstört. Nicht einmal mehr ein Keller war vorhanden.

Am 14. Mai 1916 ereignete sich die größte Sprengung auf Vauquois. Die deutschen trieben einen Stollen tief nach Westen unter die französischen Stellungen und füllten den dortigen Hohlraum mit 60 t Westfalit. Um 16:10 Uhr wurde die Mine gesprengt und auf französischer Seite verloren 108 Soldaten das Leben, allerdings war die Sprengung so massiv, dass auch deutsche Soldaten starben. Bis heute ist dieses Loch im Berg noch zu sehen.

Ende 1917 waren die Kräfte am Ende. Keine der beiden Seiten grub mehr Stollen zum Gegner, da dies ein anstrengende und zermürbende Arbeit war. Vielmehr war man mit Erhaltungsmaßnahmen und Überwachung beschäftigt. Um den Kampf um den Hügel ein Ende zu bereiten, gruben deutsche Mineure bis in 100 m Tiefe und legten dort 3 große Sprengkammern an. Man wollte den kompletten Berg sprengen. Dafür forderte man Unmengen am Westfalit, Perdit, Cheddite und Schwarzpulver an. Die Anforderung kam bei den Vorgesetzten an und doch diese hatten das Gesuch abgelehnt, da die Höhe ihren strategischen Wert verloren hatte. Der Kampf um Verdun war verloren und man wollte Sprengstoff nicht sinnlos rausgeben. Noch heute sind die Kammern existent, jedoch nicht betretbar, da die Zugangsstollen zugeschüttet wurden oder einstürzten.


Letzter erhaltener Schützengraben auf deutscher Seite.


Am 9. April 1918 wurde von den deutschen die letzte Sprengung unter dem Berg durchgeführt. Die Front um den Hügel von Vauquois wurde nur noch nebensächlich und Truppen von beiden Seiten wurden nach und nach abgezogen. Die Kampfstollen wurden auf französischer Seite verbarrikadiert, entweder mit Sandsäcken oder mit Stacheldrahtverhauen, Eingänge wurden gesprengt oder zugemauert. Im September 1918 übernahmen amerikanische Truppen die französischen Stellungen und sie waren schockiert von dem Anblick. Gräben, Sprenglöcher, Trichter, Tote, zerstörtes Kriegsmaterial. Das Dorf existierte nicht mehr.

Am 26. September 1918 eroberten die amerikanischen Truppen den Hügel von Vauqouis. Im Dezember 1918 wollten einige Bewohner zurück in ihr Dorf und ihre Häuser, denn sie wussten nicht, dass Vauquois nicht mehr existierte. Die Amerikaner versagten den Zutritt jedoch, denn es lag immer noch zu viel Munition, Leichen und sonstiges Kriegsmaterial auf dem Berg. Die Bewohner wollten die Gegend nicht verlassen und erst durch den General Deprez, welcher selber aus Vauquois stammte, durften sich die Bewohner am Fuß des Hügels niederlassen und den Ort neu Gründen.

Die Franzosen sagten nach dem Krieg, dass wohl kein französisches Dorf so sehr zerstört worden war wie Vauquois, denn es existierte keine Grundmauer mehr, nicht einmal mehr die Keller waren vorhanden. Während der Schlacht um den Hügel verloren ungefähr 14.000 Soldaten auf beiden Seiten ihr Leben. 519 Sprengungen hatte der Hügel miterlebt, 199 französische und 320 deutsche. Die französische Seite kann ein Stollensystem von 5 km länge verbuchen, auf deutscher Seite sind es 17 km mit mehr als 180 Räumen. Zu Beginn des Krieges war der Hügel 290m hoch, nach den Kämpfen im Jahre 1918 hatte er nur noch eine Höhe von 220 m.

Heute sieht man 13 große Minenkrater die von den vielzähligen unterirdischen Sprengungen herrührten, wobei der größte Krater von der 60 t Sprengung herrührt. Ebenfalls sind noch viele Gräben und Stellungen zu erkennen. Von den 17 km Tunnel existieren heute wohl noch um die 12 km, jedoch können davon nur maximal 5 km begangen werden und auch das nur mit einem entsprechenden Fremdenführer.


Der Hügel von Vauquois heute.


Eins sei gesagt, das lohnt sich, denn nirgends wo sonst als hier kann man das beklemmende Gefühl des Minenkrieges hautnah erleben.

Bildimpressionen


Sprengungen unter Tage


Gedenkturm


Schützengraben


17 cm Minenwerfer


Gedenkturm


Schützengraben


Tunnelgräber



Autor: Kanthe