Beitrag Mi 27. Nov 2013, 12:21

Bemannter Torpedo SLC Maiale

Bemannter Torpedo SLC Maiale



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SLC Torpedo Heckansicht. Deutlich sichtbar sind die beiden Sitzbereiche, der Heckantrieb und der Schraubenschutz.



Der bemannte Torpedo SLC „Maiale“ (ital. Siluro a Lenta Corsa - übersetzt: langsam laufender Torpedo, Tarnbezeichnung „Schwein“) war ein verlängerter und modifizierter Standard-Torpedo der italienischen Marine, der durch eine Zwei-Mann-Besatzung gesteuert wurde. Die Theorie war, unbemerkt durch Hafensperren und andere Hindernisse unter Wasser einzudringen und an der Unterseite des gegnerischen Schiffes eine Explosion, des in dem Torpedo mitgeführten Sprengkopfes auszulösen. Die Besatzung hatte dabei die Aufgabe das entsprechende Ziel auszusuchen, die Sprengladung anzubringen und danach zu entfliehen. So abenteuerlich diese Strategie auch klang, das Konzept hatte zumindest teilweise Erfolg.

Bemannte Torpedos wurden in der italienischen Marine schon bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt. Bei der Flottenkonferenz 1922 waren Italien Beschränkungen von Über- und Unterwasserstreitkräften auferlegt worden. Dies führte zum Einstellen aller Entwicklungsarbeiten und Neubauten. In der Zeit des italienisch-äthiopischen Krieges wurde der bemannte Torpedo wieder Gegenstand von Entwicklungsarbeiten. Einen maßgeblichen Anteil bei der Entwicklung dieser Waffe hatten Oberleutnant Teseo Tesei und Oberleutnant Elias Toschi im Jahr 1935.

Nachdem die Marineführung die Pläne zur Entwicklung genehmigte, wurden zwei Prototypen des Torpedos in Auftrag gegeben. Mit dem Bau wurde das Unterwasserwaffenwerk San Bartolomeo in La Spezia beauftragt. Die ersten Tests waren so erfolgreich, dass die Serienproduktion anlief. In diesem Zusammenhang wurde dann auch ein Ausbildungszentrum aufgebaut, dass sich primär der Ausbildung der künftigen "Torpedoreiter" und anderer Tauchspezialisten widmete. Diese gaben dann dem neuen Waffensystem die neue Bezeichnung „Maiale“ (Schwein). Aufgrund der organisatorischen Änderung innerhalb des Marinekampfverbandes, kam die „SLC- Kampfgruppe“ am 10. Juli 1939 unter das Kommando der 10. Schnellboot-Flottille „Decima Mas“.


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Ein "Torpedoreiter" in seinem Taucheranzug. Gut zu erkennen die Tauchermaske mit den Druckluftflaschen.



Auf dem Torpedo saßen zwei Soldaten in entsprechenden Sitzen und auf Fußrasten platziert. Der vordere Platz war für den Kommandant und Steuermann vorgesehen. Auf dem hinteren Sitz saß der sogenannte "Operateur". Die Soldaten trugen bei dem jeweiligen Einsatz leichte Taucheranzüge, bei denen der Kopf und die Hände frei beweglich waren. Über ein Sauerstoff-Tauchgerät konnte unter Wasser geatmet werden. Der komprimierte Sauerstoff wurde aus einer Flasche über das Druckminderventil dem Atembeutel zugeführt, den die beiden Soldaten um den Mund trugen. Über den Atembeutel erfolgt auch die Ausatmung, wobei die ausgeatmete Luft zusammen mit dem frischen Sauerstoff eine Calcium-Soda-Patrone durchlief, um dem Luftgemisch das Kohlendioxid zu entziehen. Das Atmungsgerät konnte bis zu einer Wassertiefe von 15 Metern eingesetzt werden. Die Betriebsdauer lag bei etwa sechs Betriebsstunden. Diese Einsatztechnik barg allerdings erhebliche Risiken, da beim überschreiten der maximalen Einsatztiefe der Atembeutel durch den höheren Wasserdruck eingedrückt werden konnte, was zu einer Kohlenstoffdioxidvergiftung und damit zum Ersticken des Soldaten führte. Daraufhin wurde ein Pressluft-Tauchergerät eingeführt, dass eine Einsatztiefe bis zu 40 Metern Wassertiefe zuließ und die komprimierte Druckluft mit einem Druck zwischen 150 bis 200 atü aus einer Flasche bereitstellte. Das dabei ausgeatmete Kohlenstoffdioxid wurde durch Filter in das umgebende Wasser abgeführt.


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Vorderer Steuerbereich des SLC Torpedos



Die Grundkonstruktion basierte auf dem Standardtorpedo der italienischen Marine. In dem 1,8 Meter langen Kopfteil waren die 250 kg schwere Sprengladung und der vordere Trimmtank integriert. In der Mitte des Torpedos befanden sich die Batterie für den elektrischen Antrieb und der Motorraum. In dem Heck war ein Heckausgleichstank eingebaut. Zusätzlich befand sich dort auch der für den Antrieb notwendige Schraubenwellentunnel, Schraubenschutz sowie die Seiten und Tiefenruder. Für den Tauchvorgang musste mittels eines Hebelzuges der Torpedo geflutet werden. Zum Auftauchen wurden die entsprechend gefluteten Behälter mit Pressluft entleert. Die Abtauchzeit betrug etwa 6 bis 7 Sekunden. Der vordere Sitz war zusätzlich mit einer Schutzscheibe als Wellenbrecher ausgerüstet. Für die Steuerungsfunktion des Torpedos befanden sich in dem vorderen Cockpit auch alle wichtigen Instrumente, wie Magnetkompass, Voltmeter, Amperemeter, Tiefenmesser und Manometer, die für die Unterwasserfahrt mit Leuchtziffern abzulesen waren. Das Steuern des Torpedos erfolgte mittels Steuerrädern. In der Rückenlehne des hinteren Sitzes befanden sich in einem Hohlraum Pressluftnetzheber und eine Netzschere, um bei geschützten Bereichen Sperren überwinden zu können. Zusätzlich befanden sich auch dort ein Holzbrett und ein gewickeltes Tau, um die Sprengladungen festmachen zu können.

Da die Reichweite des Torpedos nur bei 10 sm lag und die Fahrgeschwindigkeit nur 2,5 kn betrug, mussten die Einsätze nachts erfolgen. Des weiteren musste der Torpedo erst von Tragschiffen in die Nähe eines vermeintlichen Zieles gebracht werden. Hierfür wurden sogar konventionellen U-Boote ausgesucht, die den Torpedo in das Zielgebiet bringen sollten. Tatsächlich wurden für diesen Zweck die U-Boote Scire (3 SLC), U-Murena und U-Grongo (je 4 SLC) und U-Iride eingesetzt.

Aufgrund der weiten Anmarschwege wurden die Anfahrt über Wasser und ohne Atemgerät zurückgelegt. Befand sich der Torpedo dann im Zielgebiet, wurde der Topedo ausgesetzt und anschließend die Tauchkammern zur Hälfte geflutet, so dass die Besatzung mit ihren Taucherbrillen knapp über die Wasseroberfläche sehen konnten. Danach steuerte der Torpedo mit geringer Geschwindigkeit auf das Ziel , um das verräterische Kielwasser zu vermeiden. Ungefähr 30 bis 50 Meter vor dem Ziel tauchte der Torpedo dann ab. Unter dem Schiffsziel entnahm der Operateur die Sprengladung vom Bug des Torpedos und befestigte diese mittels Magneten am Feindschiff. Die Sprengladung hatte einen Zeitzünder, der bis auf eine Dauer von 150 Minuten eingestellt werden konnte. Nachdem die Zünderzeit eingestellt war, konnte sich die Besatzung nebst Torpedo in Sicherheit bringen.





Einsätze

• 22. August 1940: Versenkung vom Trägerschiff U-Iride bei der Vorbereitung eines SLC-Angriffs durch englischen Flugzeugangriff in der Bomba-Bucht (bei Tobruk).
• 29. September 1940: Versenkung vom Trägerschiff U-Gondar mit SLC etwa 100 sm vor Alexandria durch englische U-Jagdeinheiten.
• 29. September 1940: Abbruch eines Einsatzes von U-Scire mit drei SLC, da die Zielschiffe der englischen Gibraltar-Flotte bereits ausgelaufen waren.
• 30. Oktober 1940: Trägerschiff U-Scire bootet drei SLC vor Gibraltar aus. Aufgabe von allen drei SLC infolge technischen Defekts. Trotz Aktivierung der Selbstzerstörung geriet ein SLC in spanische Hand. Die darauf folgende spanische Pressemitteilung führte zur Aufdeckung und Kenntnis des Torpedos bei der englischen Marineführung.
• 26. Mai 1941: Trägerschiff U-Scire bootet drei SLC erneut vor Gibraltar aus. Aufgrund technischer Probleme sowie keiner lohnenden Ziele wurden alle drei SLC von den Besatzungen gesprengt.
• 26. Juli 1941: Operazione Malta Due: Gemeinsame Aktion mit Schnellbooten und Sprengbooten sowie zwei SLC führt zur Sprengung der Brücke von St. Elmo (Malta).
• 21. September 1941: Trägerschiff U-Scire bootet drei SLC vor Gibraltar aus. Versenkung des Tankers Fiona Shell (2444 BRT), Beschädigung des Tankers Denbydale (8145 BRT) und des Motorschiffs Durham (10.893 BRT).
• 18. Dezember 1941: Trägerschiff U-Scire bootet drei SLC vor dem Hafen von Alexandria aus. Angriff auf die Schlachtschiffe HMS Queen Elizabeth und HMS Valiant, die dabei auf Grund gesetzt werden. Des Weiteren werden der norwegische Tanker Sagona (7554 BRT) und der Zerstörer Jervis schwer beschädigt.


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Schlachtschiff HMS Valiant. Eines von zwei Kriegsschiffen, das am 18. Dezember 1941 von SLC Torpedos angegriffen und auf Grund gesetzt wurde.



Einige gesunkene SLC Torpedos wurden von der Royal Navy 1942 vor Gibraltar geborgen. Neben einem völlig intakten angeschwemmten Torpedo, dienten diese SLC als Vorlage des britischen Chariot Lenktorpedos.

• 12. Dezember 1942: Trägerschiff U-Ambra bootet drei SLC und 10 Kampfschwimmer aus. Im Hafen von Algier werden die Frachter Ocean Vanguisher (7174 BRT), Berto (1493 BRT), Empire Centaur (7041 BRT) und Harmattan (4558 BRT) schwer beschädigt.
• 7. Mai 1943: Der Frachter Camerata (4875 BRT) wird versenkt sowie die Frachter Pat Harrison (7000 BRT) und Mahsud (7500 BRT) durch drei SLC schwer beschädigt.
• 4. August 1943: Der Tanker Thorshövdi (9944 BRT) wird versenkt sowie die Frachter Harrison Gray Otis und Standridge (zusammen 13151 BRT) durch drei SLC schwer beschädigt.

Eine Besonderheit war auch die logistische Operationsbasis bei Einsätzen gegen Gibraltar. Im neutralen Spanien wurde hierzu der vor Anker liegende internierte Tanker Olterra genutzt. Das Schiff wurde zu einer Basis für SLC Torpedoeinheiten und Kampfschwimmer umgebaut, bei dem durch ein Loch unter der Wasserlinie Taucher und Transportgefährte das Schiff unbemerkt verlassen konnten.

Eine der letzten großen Operationen war der nach der Teilkapitulation Italiens stattfindende gemeinsame Einsatz mit britischen Einheiten am 22. Juni 1944. Hierbei wurde der in La Spezia vor Anker liegende, der in deutsche Hände gefallene Schwere Kreuzer Bolzano (10.000 BRT) angegriffen und versenkt. Am 19. April 1945 wurde dann abschließend der in Genua noch unfertig auf Reede liegende italienische Flugzeugträger Aquilla (23.250 BRT) versenkt.


Technische Daten
Länge :6,7 m
Breite :553 mm
Sprengladung :250 - 300 kg, Länge 180 cm, Zeitzünder, Bajonettarretierung
Besatzung :2
Maschine/Leistung :1 x Elektromotor mit 60 Volt Batterie (30 Elemente), 1,1 PS
Geschwindigkeit :2,5 kn (4 Widerstandsschaltstufen)
Propeller :1
Einsatzzeit :6 Stunden
Aktionsradius :10 Seemeilen (18 km)
Tauchtiefe:maximal 30 m



Quellen




Autor: asuser
Zuletzt geändert von asuser am So 15. Dez 2013, 23:29, insgesamt 8-mal geändert.