Beitrag Di 22. Mär 2016, 20:49

Anti-Tank-Gewehr .55inch, Boys MK1 und MK2

Anti-Tank-Gewehr .55inch, Boys MK1 und MK2

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Während der 1930er Jahre waren Panzerbüchsen die moderne Panzerabwehrwaffe. Obwohl Mauser 1918 den Weg gewiesen hatte geschah nicht viel bis 1934, als sowohl die Polen wie auch die Briten begannen, Nachbildungen der Mauser zu entwickeln um dem zu begegnen was sie als wachsende Panzerbedrohung durch Deutschland erkannten.

Abgesehen von der Grundidee verdankte die Panzerbüchse schließlich der Mauser wenig, denn sie wurde ein Mehrlader mit oberer Magazinzuführung. Zu ihrer Zeit stellte sie eine äußerst durchschlagkräftige Waffe dar, die ein .55 Zoll- (14 mm-) Stahlkerngeschoss mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 990 m/sek abfeuerte, welches jeden der damals üblichen Panzer auf einer Entfernung von 250 Metern durchschlagen konnte. Man muss sich vor Augen halten, dass danach die Panzerung der Fahrzeuge nur unwesentlich besser war als 1918. Immerhin bildete ein 14 mm-Geschoss für eine Panzerbesatzung eine keinesfalls geringe Gefährdung. Bei den meisten Panzern durchschlug sie die vordere Panzerung und verursachte erhebliche Zerstörungen im Innenraum.

Die Büchse war unter der Kontrolle der Small Arms Commitee (Ausschuss für Handfeuerwaffen) entwickelt worden, der ihr den Namen "Stanchion" (Stütze) gab. Da aber das maßgebliche Mitglied der Entwicklungsgruppe "Captain Boys" starb, wurde diese Waffe kurz vor der Einführung ihm zu Ehren in Boys, oder genauer gesagt in Rifle-Anti-Tank .55 inch Boys Mark 1 geändert. Die offizielle Genehmigung erfolgte am 24. November 1937 und die volle Produktion begann bald danach in Enfield und in der Birmingham Small Arms Factory (BSA).

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Die Boys war eine vollkommen aus Stahl gefertigte Waffe. Der größte Teil der Kraft des Rückstoßes beim Abfeuern wurde durch einen Rückstoßdämpfer in der Schulterstütze gemindert. Trotzdem bewirkte er einen erheblichen Stoß und Rekruten erzählte man die schrecklichsten Geschichten darüber, welche Verletzung sie durch ihn erleiden könnten. Die Boys besaß eine runde Mündungsbremse, die später durch einen flachen "Harmonika-Typ" ersetzt wurde, und eine Einbeinstütze.

Das Schießen mit ihr war weniger aufregend als man annahm, abgesehen von dem ohrenbetäubenden Knall. Es kam vor allem darauf an und das gilt für alle Gewehre mit großer Durchschlagskraft, gleich welcher Nation, dass man die Waffe beim Schuss ganz fest eingezogen behielt und so die Rückstoßdämpferhalterung den Stoß auffangen ließ. Wenn der Schütze die Büchse nicht festhielt und der betäubende Knall an der Mündung verleitete ihn dazu, machte sie sich selbstständig. Dadurch versetze sie ihm einen mächtigen Schlag an der Schulter und verursachte eine Prellung, die eine ganze Woche andauern konnte, verbunden mit einem gezerrten Hals der vom Zurückschlagen des Kopfes herrührte.

Von allen Panzerbüchsen, die während des Zweiten Weltkrieges eingesetzt wurden, erreichte die Boys die größten Produktionsziffern. Alleine BSA stellte 63.000 her bevor ihre Fertigung 1942 eingestellt wurde. Kleine Stückzahlen lieferten Enfield und Inglis in Kanada. Insgesamt wurden mehr als 80.000 Stück gefertigt. Die Büchse war die Basiswaffe des Zuges für die Panzerbekämpfung in den meisten Commonwealth-Ländern, 1940 wurden auch gepanzerte Fahrzeuge damit ausgerüstet. Die Befehlsfahrzeuge, die die britischen Flughäfen während der Luftschlacht um England sicherten, hatten gewöhnlich einige Boys in jeder Einheit. Selbst die Rolls-Royce-Panzerspähwagen aus dem ersten Weltkrieg in Nordafrika, die an den Grenzen der Cyrenaika patrouillierten, trugen eine Boys zusammen mit einen Maschinengewehr in ihrem Türmen. Während des Winterkrieges wurde eine große Anzahl von Boys an die finnische Armee geliefert, um den russischen T-26-Panzern entgegenzuhalten.

Tatsächlich war die Wüste das vielleicht erfolgreichste Einsatzgebiet für die Boys, weil sie die leichten italienischen Panzer ohne große Schwierigkeiten bekämpfen konnte. In Frankreich und Norwegen hatte sie wegen der stärker werdenden Panzerung der deutschen Panzer wenig Erfolg. Eine später entwickelte Patrone mit Wolfram-Geschoss sollte den Durchschlag zumindest teilweise steigern, kam jedoch nicht mehr zum Einsatz. Ihr letzter rühmlicher Einsatz erfolgte sicherlich in Britisch-Malaya Anfang des Jahres 1942, bei dem zwei leichte japanische Panzer an einer Straßensperre durch die 1/14. Punjabis abgeschossen wurden.

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Zu Beginn des Jahres 1942, als man die Invasion Tunesiens plante, besaßen die Luftlandungstruppen keine Panzerabwehrwaffen, daher experimentierte man mit verkürzten Boys. Die Läufe wurden um etwa 15 cm gekürzt damit sie in den Fallschirmbehältern Platz fanden. Außerdem verzichtete man bei den ersten Modellen auf die Mündungsbremsen. Kurz gesagt: Es waren Versager! Der kürzere Lauf verminderte die Anfangsgeschwindigkeit ganz erheblich und somit auch die Durchschlagskraft, die ohnehin 1942 bei Weitem nicht mehr ausreichte. Durch den Wegfall der Mündungsbremsen war sie eine entsetzliche Waffe beim Schuss. Einige wenige wurden doch nach Tunesien mitgenommen und dort ohne jeden Erfolg erprobt. Die Soldaten entledigten sich schnell der Waffe und kurz darauf folgte dann der Projector, Infanterie, Anti-Tank (PIAT = Panzerabwehr-Abschussgerät).



Technische Daten
MunitionKynoch & RG .55 Boys
Länge1.614 mm
Gewicht, ungeladen16,32 kg
Lauflänge915 mm
Magazin5-Schuss-Kastenmagazin
VerschlussZylinderverschluss mit Kammerstängel
Feuerrateca. 10 Schuss pro Minute
FeuerartEinzelfeuer
V0990 m/sek
Panzerbrechende Wirkung21 mm bei 300 m im Winkel von 90°







Autor Helmar